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Theater Naumburg Mit Kafkas „Die Verwandlung“ wird die „Gegen den Strom“-Spielzeit eröffnet

Kommenden Freitag, 9. September, feiert Stefan Neugebauers Inszenierung Premiere. Die Proben in der Marien-Magdalenen-Kirche gehen in die heiße Phase.

Von Jana Kainz Aktualisiert: 01.09.2022, 14:03
Der superangepasste Handelsreisende Gregor Samsa (Antonio Gerolamo Fancellu) mutiert auf Naumburgs Bühne zum „Systemsprenger“.
Der superangepasste Handelsreisende Gregor Samsa (Antonio Gerolamo Fancellu) mutiert auf Naumburgs Bühne zum „Systemsprenger“. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Voller Enthusiasmus preist er auf Teufel komm raus seine Waren an - Stoffe aller Art. Voller Inbrunst erklärt er potenziellen Kunden die Gewebestruktur - immer und immer wieder und in stets atemberaubender Hektik. Zeit ist Geld. Der Handelsreisende Gregor Samsa gibt alles. Doch eines Morgens steht sein Hamsterrad still. Der angepasste Kaufmann steht einfach nicht auf, verbarrikadiert sich in seinem Zimmer. Der 100-Prozentige mutiert Knall auf Fall zum Aussteiger. Franz Kafkas - vermutlich kapitalismuskritische - Erzählung „Die Verwandlung“ drängte sich Naumburgs Theaterintendanten Stefan Neugebauer geradezu als Eröffnungsstück für die nun anbrechende „Gegen-den-Strom“-Spielzeit auf. Am 9.September gehen 19.30 Uhr die Scheinwerfer für die Premiere an, entsprechend stecken die Proben in der Marien-Magdalenen-Kirche in der heißen Phase.

Proben in der heißer Phase: Für "Die Verwandlung" stehen Peter Wagner als Prokurist (l.) und Antonio Gerolamo Fancellu als Gregor Samsa in der Marien-Magdalenen-Kirche auf der Bühne.
Proben in der heißer Phase: Für "Die Verwandlung" stehen Peter Wagner als Prokurist (l.) und Antonio Gerolamo Fancellu als Gregor Samsa in der Marien-Magdalenen-Kirche auf der Bühne.
(Foto: Torsten Biel)

Um Gregors (gespielt von Antonio Gerolamo Fancellu) Geschichte begreifbar zu machen, entwickelte Neugebauer, der für Regie und Ausstattung verantwortlich zeichnet, einen Prolog. Während diesem geht Gregor mit dem Publikum regelrecht auf Tuchfühlung. Doch dies ist nicht die einzige neugebauersche Abwandlung vom Original. Gregor verwandelt sich auch nicht in Kafkas Ungeziefer. „Wir deuten nur mit Bewegungen das Käferhafte an“, erklärt Neugebauer am Rande der Probe, der, wenn er es auch in der Inszenierung offen lässt, Gregor eher ein Burn-out-Syndrom attestieren würde. „Vielleicht mag er aber auch einfach nicht mehr und wird deshalb zum Systemsprenger“, bringt er eine zweite Möglichkeit ins Spiel. Ein opulentes Käferkostüm war damit vom Tisch. Neugebauer setzt in seiner Inszenierung ohnehin aufs Reduzieren. Nicht nur Kulisse und Requisiten werden sparsam eingesetzt - auch Kafkas Aufgebot an Figuren wandelt er ab. Die Rolle der Mutter fließt in die der Schwester, Grete Samsa (Selena Bakalios), ein. Sie und ihr Vater (Ireneusz Rosinski) sind finanziell von Gregor abhängig. Entsprechend aufgeregt sind sie, als Gregor die Arbeit schwänzt und der Prokurist der Firma (gespielt von Peter Wagner - dem Naumburger Publikum unter anderem bekannt aus der Theaterinszenierung „Der Vorname“) an die Tür klopft. Der Kapitalismus ist hart. Samsa wird gefeuert. Doch statt familiären Rückhalt erfährt Gregor, dass er von Vater und Schwester ausgenutzt und letztlich quasi weggeschmissen wird. Bei Geld hört eben auch die Familie auf.

Geben in der Naumburger Inszenierung Gregors Schwester und Vater: Selena Bakalios und Ireneusz Rosinski.
Geben in der Naumburger Inszenierung Gregors Schwester und Vater: Selena Bakalios und Ireneusz Rosinski.
(Foto: Torsten Biel)

Empathie könne Fancellu für den von ihm dargestellten Gregor Samsa nicht aufbringen: „Er ist kein Sympathieträger. Er ist so angepasst, macht sich selbst zum Opfer, sagt nie ’Stopp!’“. Für Gregor kein Mitleid zu spüren, liege wohl in seiner eigenen Natur, meint Fancellu, der schon als Jugendlicher ein Rebell gewesen sei und sich mit Autoritäten schwer getan habe. Jeder könne und müsse für sich entscheiden, meint er in einer Probenpause, ob er Opfer wird oder rebelliert. Gregor rebelliert - wohl aber zu spät. Sein Leben endet tragisch.

Trotz seiner Bearbeitung der Erzählung für das Naumburger Theater verspricht Neugebauer dennoch kafkaeske Unterhaltung.

Bereits vor der Premiere des ersten Schauspiels in der Naumburger Spielzeit 2022/23 besteht die Möglichkeit, Stefan Neugebauers Inszenierung „Die Verwandlung“ nach Franz Kafka zu erleben. Für die Generalprobe am Donnerstag, 8. September, 19.30 Uhr, in der Marien-Magdalenen-Kirche gibt es zehnmal zwei Freikarten zu gewinnen. Das Verlosungstelefon ist am Dienstag, 6. September, von 16 bis 17 Uhr freigeschaltet unter der Telefonnummer 03445/273479. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Karten für die Premiere der Naumburger Inszenierung „Die Verwandlung“ am Freitag, 9. September, ab 19.30 Uhr und für weitere Aufführungen wie am 10., 15., 16. oder 17. September jeweils ab 19.30 Uhr sind erhältlich in der Tourist-Information Naumburg, Markt 6, Telefon 03445/273480.