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Lebensbilder Lebensbilder: Burgscheidungen, mon amour

Von Hans-Dieter speck 23.02.2013, 16:49
Fühlt sich dem Schloss Burgscheidungen verbunden: Annette Längricht.
Fühlt sich dem Schloss Burgscheidungen verbunden: Annette Längricht. hans-Dieter Speck Lizenz

Burgscheidungen - Wer sich für die Geschichte von Schloss Burgscheidungen interessiert, den empfängt eine freundliche Frau, belesen, beredt und kundig in vielen geschichtlichen Fakten und Anekdoten: vom Reich der Thüringer über die Gräfin Cosel bis zu den Grafen von der Schulenburg und dem Baumeister David Schatz, der barocken Glanz an die Unstrut brachte. Und mitunter erscheint Annette Längricht auch im barocken Gewand, wenn sie ihre Besucher auf eine Zeitreise mitnimmt. Burgscheidungen, mon amour - das Schloss ist ihre große Liebe.

Schlappen waren verpönt

Es war das Jahr 1956, als der Hallenser Erwin Krübke mit seiner Frau, drei Mädchen und einem Jungen nach Burgscheidungen kam. In dem heruntergewirtschafteten Schloss wollte die CDU (Ost) eine Zentrale Schulungsstätte einrichten, und Krübke wurde mit der Schlossverwaltung beauftragt. Begeistert war er nicht und seine Frau schon gar nicht, denn das weitläufige Gebäude war eine einzige Baustelle. Die Familie bezog Quartier im älteren Schlossteil, der aus der Renaissance stammte. „Für uns Kinder aber waren Park und Schloss ein wundersamer Abenteuerspielplatz, den wir begeistert in Besitz nahmen, und nie hat uns jemand irgendwo verscheucht oder beschimpft“, erinnert sich Annette Längricht an ihre Kindheit. Indes: Im Schloss wurde auf akkurates Auftreten geachtet. Höflich mussten die Kinder sein und durften nicht mit Schlappen herumlaufen, darauf achtet der Vater. „Burgscheidungen ist ein Kulturgut, trichterte er uns immer ein. Das hat schon mitunter genervt.“

Mit ihren Geschwistern besuchte Annette die Schule im Dorf bis zur 10. Klasse. Und in ihren Schulkameraden fanden die drei Mädels auch ihre späteren Ehemänner. „Wir wohnten im Schloss, aber gehörten zur Dorfgemeinschaft“.

Später habe sie sich manchmal von Schloss und Dorf abnabeln wollen, überlegte, nach Nebra oder Naumburg zu ziehen, aber gelungen sei das ihr nie, bekennt die heute 60-Jährige. Nach der Schule lernte sie Buchhändlerin in der Gutenberg-Buchhandlung in Naumburg und besuchte die Fachschule für Bibliothekare in Leipzig.

„Nebra fand ich toll“

In Nebra übernahm sie eine Stelle in der Stadt- und Kreisbibliothek. „Nebra fand ich toll. Eine aufblühende Kreisstadt mit modernem Wohnkomfort und Verkaufseinrichtungen, in denen man alles bekam, was man eben so in der DDR bekommen konnte“, kommt sie fast ins Schwärmen. Doch der Ehemann wollte nicht weg aus seinem Heimatdorf und so wurde es nichts mit Nebra. In Burgscheidungen konnten sie eine Wohnung bekommen, aber eben nur auf dem Schloss und für die Frau dort auch eine Arbeitsstelle. „Das wollte ich nun eigentlich nicht. Den eigenen Vater auch noch als Chef haben“, war sie sich lange unschlüssig. Übernahm dann aber doch die Leitung der Bibliothek und blieb dort von 1975 bis 1990. „Bereut habe ich es nicht“, sagt sie über diese Zeit.

Die Zentrale Schulungsstätte unterhielt einen umfangreichen Literaturbestand, der laufend vergrößert wurde. Neuerscheinungen, die sonst nur unter dem Ladentisch erhältlich waren, kamen über Berlin ins Schloss und sogar Magazine aus der Bundesrepublik lagen zur Ausleihe. Zwei Bibliothekarinnen und eine Sachbearbeiterin waren in dieser Bibliothek beschäftigt.

Mit Münchner schloss sich Kreis

Überhaupt war der Personalbestand aus heutiger Sicht mehr als üppig. 60 Leute umfasste allein das technische Personal. Die Schulungsstätte unterhielt eine eigene Handwerkerbrigade. Zwölf bis 15 Dozenten waren fest angestellt. „Nach der LPG war die Schulungsstätte der größte Arbeitgeber im Ort“, erinnert sich Längricht.

Mit der Wende war damit Schluss. Die CDU, jetzt gesamtdeutsch, löste durch ihre Konrad-Adenauer-Stiftung die Schulungsstätte auf. Das Weitere ist noch gut in Erinnerung: Das Schloss wurde mehrfach verkauft, was nicht zum Vorteil für die Immobile war. Annette Längricht verlor ihre Arbeitsstelle („Nach 15 Jahren ein schwerer Abschied“). In der Buchhandlung Heydenreich konnte sie wieder als Buchhändlerin arbeiten, ab 1992 stellte sie die Stadt Laucha als Bibliothekarin und Leiter der Stadtinformation ein.

„Aber so richtig losgekommen bin ich nicht vom Schloss“, ist sich Annette Längricht sicher. Der Kreis schloss sich, als Bernd Artinger neuer Schlossbesitzer wurde. Nun wurde wieder gebaut und renoviert und der Münchener mit großem Herz für sein Schloss und weiteren Plänen, verpflichtete die Burgscheidungerin als Gästeführerin. Auch ist sie Mitglied in der David- Schatz-Gesellschaft. Mit ihrem Ehemann wohnt sie in dessen Elternhaus in Burgscheidungen, beide haben zwei Söhne, 35 und 40 Jahre alt und vier Enkelkinder.

Annette Längricht mit Enkelin Leonie im historischen Kostüm.
Annette Längricht mit Enkelin Leonie im historischen Kostüm.
Hans-Dieter Speck Lizenz