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Hintergrund Hintergrund: Stuhl des Geschäftsführers ist Schleudersitz

08.01.2014, 08:09
Da war die Welt noch in Ordnung: Gerald Lange (l.) und Siegfried Boy mit den Weinprinzessinnen Susanne Rothe (l.) und Stefanie Gramsch.
Da war die Welt noch in Ordnung: Gerald Lange (l.) und Siegfried Boy mit den Weinprinzessinnen Susanne Rothe (l.) und Stefanie Gramsch. Archiv Lizenz

FREYBURG/MORO - Ein halb im Scherz hingeworfener Satz kann manchmal ungeahnte Folgen haben. Kurz vor Weihnachten soll es beim größten Weinerzeuger der neuen Bundesländer, der Winzervereinigung in Freyburg, zu einer, je nach Sicht der Beteiligten, kleineren oder größeren Unstimmigkeit zwischen Geschäftsführer Gerald Lange und Produktionsleiter Hans-Albrecht Zieger gekommen sein, in deren Folge Zieger seinen Abschied ankündigte. Daraufhin ließ sich Lange zu der oben erwähnten Äußerung hinreißen. Die lautete: Man solle dann doch lieber ihn entlassen. Und verabschiedete sich in den Urlaub.

Zwischen den Feiertagen ist es dann zu einer Zusammenkunft des Vorstandes und des Aufsichtsrates gekommen, in deren Verlauf die Kündigung Langes beschlossen wurde (siehe auch Seite 1). Zum Aufsichtsrat gehören Helmut Kühn aus Schkortleben, Winzer in Burgwerben, als Vorsitzender, sein Stellvertreter Walter Wrede, Bürgermeister von Steigra, Produktionsleiter Hans-Albrecht Zieger, Andreas Ehm von der Obstproduktion in Höhnstedt und Olaf Jäger, Agrargenossenschaft Gleina. Zum Vorstand gehören Siegfried Boy als ehrenamtlicher Vorsitzender für die Agrargenossenschaft Gleina, sein Stellvertreter Hans-Peter Krüger aus Höhnstedt, Gerald Lange und Thilo Wille vom Agrarunternehmen Steigra. Lange weilte während dieser Zusammenkunft im Urlaub.

Als der Geschäftsführer gestern sein Büro nach Urlaubsende wieder betrat, gab ihm der Aufsichtsrat 20 Minuten, selbiges zu räumen und bestellte ihm für die Heimfahrt ein Taxi, da der Dienstwagen ja nun nicht mehr der seine war. Lange zeigte sich schockiert. Seit dem 1. Oktober 2004 war er Geschäftsführer der Freyburger Genossen, und unter seiner Leitung hatte der größte Weinerzeuger der Region deutlich an Profil und Qualität gewonnen. Lange war aber auch streng in den Ansprüchen an sich und andere, und das wiederum brachte ihm nicht nur Freunde ein. Und mitunter reagierte er spontaner als angebracht. Schon vor Jahresfrist hatte es Differenzen zwischen Kühn und Lange gegeben, die nur mühevoll geglättet werden konnten. Trotzdem kommt die Trennung für viele überraschend. Steht die Winzervereinigung doch so gut da wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Zahlreiche umfängliche Investitionen ins Qualitätsmanagement fallen in die Zeit von Langes Wirken. Dass man nicht immer in allen Dingen einer Meinung war, es zunehmend auch in der einst engen Männerfreundschaft zwischen Lange und dem Vorstandsvorsitzenden Siegfried Boy Risse gab, blieb dem nicht verborgen, der zwischen den Zeilen las.

Gestern Mittag nun tagte der Aufsichtsrat mit dem Vorstandsvorsitzenden, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Boy übernimmt kommissarisch die Geschäftsführung. Bei seiner ohnehin angeschlagenen Gesundheit und beruflichen Mehrfachbelastung des Weinbaupräsidenten und Chefs der Gleinaer Agrargenossenschaft sicher kein Zukunftsmodell. Hier ist also schnelles Handeln gefragt. Siegfried Boy betonte gestern, dass er den Vorgang bedauere. „Gerald Lange hat viel für die Entwicklung des Unternehmens getan“, sagte Boy.

Am Ende sind es wohl neben den offiziellen „unterschiedlichen Meinungen über die künftige Ausrichtung der Genossenschaft“ eben vor allem menschliche Differenzen mit Teilen der Belegschaft gewesen sein, die zu diesem überraschenden Abschied führten. Am Donnerstag werden Aufsichtsrat und Vorstand über das weitere Vorgehen beraten, teilt das Unternehmen mit. Und wohl zumindest einen vorläufigen Nachfolger benennen.