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Heimspiel Heimspiel: Unerhörter Taktik-Fuchs

Von Harald Boltze und Torsten Kühl 12.12.2013, 10:19
Manfred Wicharz (l.) mit Vereinskollege und Trainingspartner André Kellner.
Manfred Wicharz (l.) mit Vereinskollege und Trainingspartner André Kellner. Privat Lizenz

Naumburg - Irgendwann im Leben steht fast jeder Mann, der - weil er beruflich zu sehr eingespannt ist oder aus anderen Gründen - keine Zeit findet, sich körperlich zu betätigen, vor der Frage: Wie werde ich die überschüssigen Pfunde, die sich in den letzten Jahren angehäuft haben, wieder los? Diät ist eine Möglichkeit, Sport die andere. Manfred Wicharz hat sich für die zweite Variante entschieden und sich dazu seiner früheren Leidenschaft bedient: des Fechtens.

„2011 bin ich nach einer längeren Verletzungspause in diesem schönen Sport wieder durchgestartet und habe seitdem 15 Kilo abgenommen. Das soll aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein“, sagt der Steuerberater, der 1990 aus Köln nach Naumburg kam und seitdem in der hiesigen Domstadt eine eigene Kanzlei betreibt. Und so ganz nebenbei ist Wicharz ein sportlicher Exot in der Saale-Unstrut-Finne-Region: der einzige aktive Fechter. Regelmäßig nimmt der inzwischen 56-Jährige an Ranglistenturnieren teil. Erst kürzlich wieder beim internationalen Thüringenpokal in Saalfeld, wo er im Feld der 45 Degenfechter Rang 16 belegte und sich gegen weitaus jüngere Konkurrenz behauptete.

„Dort habe ich unter anderem gegen den Ranglistenzweiten Sachsen-Anhalts, Riccardo Sehner von der TSG Halle-Neustadt, mit 5:4 Treffern gewonnen. Und gegen den späteren Turnierdritten, den erst 24-jährigen Steve Glinka vom USC Magdeburg, verlor ich nur knapp mit 4:5 in der Verlängerung“, berichtet Wicharz nicht ohne Stolz. In der Rangliste des Landesverbandes liegt der Wahl-Naumburger zurzeit an Position sieben: als ältester Ranglistenfechter Sachsen-Anhalts.

Im Duell mit jüngeren Fechtern helfen Manfred Wicharz - neben der langsam wieder zurückkehrenden Kondition - vor allem zwei Dinge: seine Erfahrung, auch in taktischen Dingen, und seine solide sportliche Ausbildung mit allen drei Sportwaffen des Fechtens, also auch mit Florett und Säbel. Als damals 14-Jähriger kam Wicharz einst in Köln über eine Arbeitsgemeinschaft seines Gymnasiums zum Fechtsport. Ausgebildet wurde er unter anderem von dem ägyptischen Auswahlfechter Said Hassan, einem promovierten Schüler des legendären Emil Beck. „Hassan hat mir sehr viel Rüstzeug für meine späteren Erfolge mitgegeben. Ich gehörte zum Beispiel zum nordrhein-westfälischen Kader, der Junioren-Landessonderklasse, und nahm an zahlreichen internationalen Turnieren teil, trat auch gegen absolute Größen des Sports wie Arnd Schmitt an, der zweimal Olympiasieger wurde.“

Fechten als Leistungssport war allerdings nie Wicharz’ Ding, obwohl er bis 1990 durchgängig aktiv war. Berufliche und familiäre Verpflichtungen bekamen Vorrang; der Umzug nach Naumburg, wo es keinen Fechtclub gab (und gibt) tat sein Übriges. 1995 fing Wicharz aber wieder an zu fechten: beim TuS Jena, ehe ihn eine Fußverletzung zum Aufhören zwang. Vor zwei Jahren dann das Comeback aus den erwähnten „gesundheitlichen Gründen“. Zunächst habe er es beim TTV Domstadt mit Tischtennis versucht, einem für Fechter geeigneten Ausgleichssport, schon allein wegen des dabei geschulten Reaktionsvermögens. „Doch da bin ich nur vermöbelt worden, hatte kaum eine Chance, obwohl ich mich für einen ganz passablen Tischtennisspieler halte.“

Der Steuerberater fand schließlich bei der Fechtgemeinschaft Merseburger Raben einen näherliegenden Verein in seinem Metier „mit einem super Klima“, und seitdem trainiert er dort einmal pro Woche. Erfolge auf der Planche, wie die Fechtbahn bei Wettkämpfen genannt wird, ließen nicht lange auf sich warten. Wicharz wurde 2011 Zweiter der Landesmeisterschaften in seiner Seniorenklasse und belegte im vergangenen Jahr Rang 13 bei den Mitteldeutschen Meisterschaften.

Das Projekt „Planche statt Plautze“, um es mal salopp zu formulieren, hat also doppelt funktioniert.