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Gemälde Gemälde: Die Heimkehrer

Von bärbel schmuck 11.11.2014, 09:08
Petra Wiche präsentiert im Nebraer HCM-Archiv die erhaltenen Originale der Privatkorrespondenzen von Margarethe Elzer.
Petra Wiche präsentiert im Nebraer HCM-Archiv die erhaltenen Originale der Privatkorrespondenzen von Margarethe Elzer. Jäger Lizenz

Vor wenigen Wochen nahm Petra Wiche im Nebraer Hedwig-Courths-Mahler-Archiv ein ganz besonderes Schriftgut in Empfang. Es handelte sich um 36 handschriftliche Briefe und neun Postkarten, die zwischen 1941 und 1944 von Margarete Elzer, der älteren Tochter von Hedwig-Courths-Mahler (HCM, 1867 - 1950), verfasst worden sind. Eine Karte ist sogar mit einer Haarsträhne der Elzer versehen.

Bemerkenswerter Fundus

Nach Nebra gebracht wurde dieser bemerkenswerte Fundus von Brigitte Hartmann aus Arnstadt, die durch glückliche Umstände in den Besitz der Korrespondenz gelangte. „Wertvoll sind diese Briefe und Postkarten vor dem Hintergrund, dass es sich möglicherweise um das einzig verbliebene Originalschriftgut der ältesten Tochter der Schriftstellerin Hedwig Courths-Mahler handeln könnte, das sich bis heute erhalten hat“, sagte Frau Wiche, die zusammen mit Roswitha Hartmann ehrenamtlich seit vielen Jahren das HCM-Archiv pflegt, erweitert und sich um eine Bibliografie des umfangreichen schriftstellerischen Erbes der in Nebra geborenen Autorin bemüht.

Herausforderung sei, zu erfassen, wie oft und von wie vielen Verlagen die Romane der Courths-Mahler herausgegeben worden sind. „Bei der HCM-Literatur allein blieb es nicht“, so Frau Wiche, „denn auch ihre beiden Töchter, Margarete Elzer (1889-1966) und Elfriede Birkner (1891-1985), wurden schriftstellerisch aktiv.“ Inzwischen konnte im Nebraer HCM-Archiv auch ein Großteil der durch die Töchter verfassten Romane zusammen getragen werden. Elzer brachte es auf über 50 Romane, ihre jüngere Schwester erwies sich als Vielschreiberin mit etwa 260 Titeln. Sie überflügelte damit sogar ihre bekannte Mutter (208 Liebes- und Unterhaltungsromane, Novellen). Petra Wiche hat sich darüber hinaus seit langem mit den Biografien der Töchter befasst und festgestellt, dass das Verhältnis zwischen den beiden charakterlich recht unterschiedlichen Schwestern sehr angespannt war.

„Beide sind, was sicher den Wenigsten bekannt sein dürfte, in Halle geboren: Margarete Anna Elisabeth Elzer am 19. Oktober 1889 und Hedwig Gertrud Elfriede Birkner am 24. April 1891. Die ältere Tochter hatte in diesem Jahr ihren 125. Geburtstag. Nun erscheint dieses Jubiläum durch ihre überlieferten Briefe und Postkarten in einem besonderen Fokus“, so Wiche.

Korrespondenzen im Internet

Und überhaupt, es ist eine fast schon abenteuerlich anmutende Geschichte, unter welchen Umständen es zu der Korrespondenz kam, wie diese in die Hände von Brigitte Hartmann gelang und schließlich welche Gründe es dafür gibt, warum von der Elzer kaum Originalhandschriften existieren dürften. Doch der Reihe nach. Brigitte Hartmann, die 2004 Nebra verließ und in ihre Heimatstadt Arnstadt zog, gehörte bis dahin dem einstigen Nebraer Hedwig-Courths-Mahler-Freundeskreis an, der 2005 seine Tätigkeit eingestellt hatte.

Die Faszination an der 1867 in Nebra geborenen Persönlichkeit der Hedwig Courths-Mahler blieb erhalten, Brigitte Hartmann pflegte weiter die Kontakte mit Gleichgesinnten und initiierte 2012 den HCM-Fanclub, in dem meist per Internet Korrespondenzen, Anfragen und Kontakte ausgetauscht werden. Thema im Fanclub ist das schriftstellerische Erbe der Verfasserin von „Märchen für Erwachsene“. Auf diese Weise entstand der Kontakt zur Familie Weiß in Wertheim/Main. Eine erstaunliche Geschichte offenbarte sich. Margarete Elzer stand nämlich in Briefkontakt mit einem Feldwebel Bost, und dessen Tochter Gabriele Weiß bewahrte das 70 Jahre alte Schriftgut bis heute auf. Es tobte der 2. Weltkrieg, als die Courts-Mahler-Familie in Rottach-Egern am Tegernsee im Grundstück „Mutterhof“ lebte. Am 22. Februar 1941 wurde die Familie von einem Flugzeugunglück eines deutschen Militärfliegers ganz in der Nähe ihres Anwesens aufgeschreckt. Feldwebel Bost war einer der nur drei Überlebenden.

Trotz seiner schweren Verletzung konnte er noch einen Kameraden aus dem Wrack retten. Indessen eilte Hedwig Courths-Mahler als erste zur nahen Unglücksstelle. Rührig kümmerte sie sich mit ihren Töchtern um die Verletzten. Dank der Nähe zum Wohnsitz Mutterhof war es möglich, rasch Hilfe einzuleiten. Die Frauen informierten die Feuerwehr und das Rote Kreuz. Nicht aber die Wehrmacht, die nach damaligem Ermessen zuerst hätte informiert werden müssen. Das nahm man den Frauen später noch übel.

Der Kontakt zu Feldwebel Bost wurde nach diesem Ereignis zur Familie der Hedwig Courths-Mahler aufrechterhalten. Mit Margarete Elzer entstand von 1941 bis 1944 ein regelmäßiger freundschaftlicher Briefkontakt. So liest sich in feinem Sütterlin verfasst der Anfang eines Briefes: „Mein lieber Feldwebel Bost, Ihre Lebenszeichen sind meiner Mutter und mir immer eine herzliche Freude…“. Ausgetauscht wurden aktuelle Geschehnisse und Familienereignisse. Offenbar führte die Dankbarkeit und herzliche Verbundenheit der Bosts zur Familie der Schriftstellerinnen dazu, dass das gegen Kriegsende der Familie Bost geborene Mädchen den Namen Waltraud Margarete erhielt. Es wurde das Patenkind der Margarete Elzer. Der Kontakt zwischen der Familie Bost und der Elzer war eine herzliche Verbindung, die bis zur Konfirmation des Mädchens intensiv gepflegt wurde.

Tatsächlich fand Petra Wiche anhand verschiedener Quellen den Beleg dafür, dass es in der Nähe des HCM-Wohnsitzes am Tegernsee diesen Flugzeugabsturz gab und vom Mutterhof die erste Hilfe eingeleitet worden war. Dass es Spannungen zwischen den Töchtern der Courths-Mahler gab, sei auch aus sicheren Quellen nachzuvollziehen. Der Mutter waren die Differenzen nicht verborgen geblieben zwischen der eher unkonventionell lebenden und schreibenden Elfriede Bürkner und der eher bieder eingestellten Elzer. In den Trivialromanen der älteren Schwester zeichne sich unterschwellig ein teils belehrender und moralisierender Stil ab. Den Roman „Die ungleichen Schwestern“ von Hedwig Courths-Mahler deutet Petra Wiche als eine Aufarbeitung persönlicher Lebensumstände.

Frust von der Seele geschrieben

Wahrscheinlich schrieb sich die damalige Bestsellerautorin einigen Frust über den Schwesterkonflikt von der Seele. Margarete Elzer widmete sich nach dem Tod der Mutter 1950 der Verwaltung des literarischen Nachlasses und Erbe der Mutter und stellte eigene schriftstellerische Ambitionen in den Hintergrund. Ihre Mutter hatte bereits 1937 das Grundstück „Mutterhof“ an sie überschrieben. Elzer erreichte in den 50er Jahren, dass es zu einer Renaissance der HCM-Romane kam. Die „Märchen für Erwachsene“ wurden vielfach neu verlegt, hielten Einzug in die gut frequentierten Leihbüchereien, wurden als begehrte Groschenhefte tausendfach herausgegeben.

Möglicherweise heizten Erbschaftsstreitigkeiten weiter den Schwesternkonflikt an, mutmaßt Petra Wiche. Gipfel des Zwists dürfte in diesem Zusammenhang die spektakuläre Vernichtungsaktion der Privatkorrespondent von Margarethe Elzer durch ihre Schwester Elfriede Birkner sein. Tagelang seien Schriftstücke in den Ofen gewandert, besagt es die Legende. „Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wertvoll und bedeutsam es für unser HCM-Archiv ist, dass uns diese Privatkorrespondenz über Vermittlung von Brigitte Hartmann zugeführt wurde“, so Petra Wiche. „Ein großes Dankeschön an die Familie Weiß, die sich von diesem wertvollen und sehr persönlichen Schriftgut trennen konnte. Hier wird es in guten Händen verwahrt werden.“

Wertvolles aus Wertheim

Brigitte Hartmann bestätigte dies. „Es ist wahrscheinlich das einzige verbleibende Originalschriftgut der älteren Tochter der Schriftstellerin HCM in Deutschland, da von dieser seit ihrem Tod im Jahr 1966 kein weiteres Material aufzufinden war. Nach einem Zeitraum von 4 Monaten konnte unser Fanclub HCM-Freundeskreis dieses Schriftgut aus Wertheim/Main erhalten. Die Mitglieder unseres Fanclubs waren sich einig, dass dieses Schriftgut an das HCM-Archiv in Nebra weitergeleitet wird.“

Das Archiv besitzt nun über 70 Jahre alten Briefe und Karten, die Margarete Elzer an Familie Bost schrieb.
Das Archiv besitzt nun über 70 Jahre alten Briefe und Karten, die Margarete Elzer an Familie Bost schrieb.
Gisela Jäger Lizenz