Geschäftsführer der umstrittenen Mobilfunkgesellschaft MIG mit Sitz in Naumburg entgegnet Vorwürfen Ein „Phantom“ wehrt sich
Wirtschaft: Bisher sind erst sieben von 97,5 Stellen besetzt.
Naumburg - Wie sich Ansichten ändern können. Noch vor einem Jahr war der Stadtrat und Landtagsabgeordnete Daniel Sturm (CDU) ganz aus dem Häuschen, als er erfuhr, dass die neu gegründete Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) der Bundesregierung ihren Sitz in Naumburg haben wird. 100 gut bezahlte neue Jobs in der Domstadt versprach sich Sturm davon. Doch als er nun am Mittwoch im Hauptausschuss das Thema ansprach, war von Euphorie nichts mehr zu spüren. Ob es sich vielleicht nur um eine „Phantom-Gesellschaft“ handele, stellte er fragend in den Raum.
Viel Kritik kassiert
Anlass war die vielfältige negative Berichterstattung über die MIG in der bundesweiten Presse. Nur zwei der 97,5 vorgesehenen Stellen seien bisher besetzt, nämlich durch zwei gut bezahlte Geschäftsführer. Stattdessen seien aber bereits über vier Millionen Euro für externe Berater ausgegeben worden, wird aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen zitiert. Politiker mehrerer Parteien gehen mit der MIG hart ins Gericht: Überflüssig und Geldverschwendung, so der Tenor. Oppositionskreise spotten über „Scheuers Funklochamt“ und über den in der Dauerkritik stehen Verkehrsminister aus Bayern.
Doch ist die MIG wirklich nur ein „Phantom-Unternehmen“? Zur Erinnerung: Eigentlich soll sie die „weißen Flecken“ im Mobilfunknetz identifizieren, also ländliche Gebiete, wo sich das Aufstellen von Funkmasten bisher nicht gelohnt hat. Dann soll sie mit Eigentümern und Kommunen die bürokratischen Steine aus dem Weg räumen und eine Förderung aufbauen, so dass Funkmasten doch lukrativ für die Betreiber werden.
„Nein, wir sind kein Phantom-Unternehmen. Im Gegenteil: Wir sind in Naumburg präsent und schwingen uns gerade gut ein“, sagte Ernst-Ferdinand Wilmsmann, einer der beiden MIG-Geschäftsführer, von Tageblatt/MZ mit den Vorwürfen konfrontiert. Sein Team habe - nun, da das Naumburger Büro am Markt 10, also über Bäcker und „Kanzlei“, eingerichtet ist - die Arbeit aufgenommen. „Inklusive der beiden Geschäftsführer beschäftigt die MIG derzeit sieben Personen. Im Oktober werden wir diese Zahl verdoppelt und im ersten Quartal 2022 die Personalrekrutierung abgeschlossen haben“, so Wilmsmann. Etwa zwei Drittel der rund 100 Beschäftigten sollen von den Naumburger Büroräumen im Markt 10 aus arbeiten, die restlichen Angestellten in Regionalteams oder, was vor allem die IT-Abteilung betrifft, in Berlin. In der Bundeshauptstadt sitzt nämlich die Muttergesellschaft Toll Collect. Dieser war die MIG angegliedert worden. Die Rekrutierung des technischen Personals sei schwierig, „aber das geht ja derzeit allen Unternehmen in der Branche so“. In den Bereichen Sachbearbeitung der Förderung und Öffentlichkeitsarbeit könne man durch viele Bewerber hingegen aus dem Vollen schöpfen.
Dass man im Aufbau der Gesellschaft noch nicht weiter ist, bezeichnete Wilmsmann, der zuvor bei der Bundesnetzagentur gearbeitet hat, als normal. Er bestätigt, dass man sich externer Berater bedient hat, um die ersten „Markterkundungsverfahren“ in Gang zu bringen. Sukzessive wolle man sich aber nun von externen Zulieferern freimachen.
Die Frage, wie lange die Strukturgesellschaft existieren wird, kann Wilmsmann naturgemäß nicht beantworten. „Bis 2024 wollen wir unsere Aufgabe, die Förderung für die Beseitigung der weißen Mobilfunk-Flecken, geschafft haben, wobei durch die Dauer von langen Genehmigungsverfahren und Verzögerungen beim Bauen immer wieder Hürden entstehen werden.“
Wie passend: ein Funkloch
Wie es danach weitergeht? „Wenn wir als MIG mit guter Arbeit auf uns aufmerksam machen, bin ich mir sicher, dass wir auch andere Aufgaben übertragen bekommen könnten. Aber das ist eine politische Entscheidung“, so Wilmsmann. Er weiß aber auch, dass nun Bundestagswahlen anstehen und eine womöglich neue politische Konstellation diejenigen an den Schalthebel bringt, die seine MIG als überflüssig ansehen.
Wilmsmann selbst aber gibt sich optimistisch. Es gefalle ihm in Naumburg. Da seine Kinder groß und aus dem Haus sind, kann er sich gut vorstellen, von Bonn hier in die Domstadt zu ziehen, erzählte er am Donnerstag, im Auto gerade durch Süddeutschland fahrend. Dann aber unterbrach die Verbindung. Eine halbe Minute später rief Wilmsmann zurück. „Sorry, Funkloch.“