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„24 Stunden Reden mit Gott“ Bewegendes um 4 Uhr früh: Gebetsmarathon in Naumburg

Die Aktion in der Marienkirche setzt ein Zeichen für Gemeinschaft und hat fröhliche, stille, intensive Momente.

Von Andreas Löffler 11.02.2022, 09:21
(Kerzen-)Licht für Frieden, Hoffnung und einen resprektvollen Umgang miteinander: In Naumburgs Marienkirche setzten die Teilnehmer der 24-Stunden-Gebetsaktion ein starkes Zeichen.
(Kerzen-)Licht für Frieden, Hoffnung und einen resprektvollen Umgang miteinander: In Naumburgs Marienkirche setzten die Teilnehmer der 24-Stunden-Gebetsaktion ein starkes Zeichen. (Foto: Andreas Löffler)

Naumburg - Es gibt diese Momente, in denen sich das Ansinnen - und die Kraft! - einer Aktion wie unter dem Brennglas bündeln; Augenblicke, die verdeutlichen, dass und wie sehr man einen Nerv getroffen hat. Der vom Evangelischen Kirchenkreis Naumburg-Zeitz unter dem Motto „Zusammen beten statt miteinander streiten“ initiierte und gestern Abend zu Ende gegangene 24-Stunden-Gebetsmarathon hatte gleich mehrere dieser ganz speziellen Momente: Etwa die Fröhlichkeit, mit der am Vormittag Kinder der Evangelischen Kindertagesstätte Almrich in der Marienkirche gesungen und gebetet hatten. Und eben auch die stillen, dennoch nicht weniger intensiven Stunden des Gesprächs, Nachdenkens und Betens in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag.

„Wenn wir Aufsichtführenden zwischen zwei und vier Uhr tatsächlich mal ganz unter uns waren, kamen spätestens kurz nach vier, halb fünf bereits wieder die nächsten, die sich mit einem Gebet für die Gemeinschaft einbringen wollten“, berichtet Ingrid Sobottka-Wermke. Die Superintendentin hatte beim Gebetsmarathon höchstpersönlich eine vier Stunden lange „Nachtschicht“ als Begleiterin und Betreuerin der Gekommenen übernommen und schilderte, welche Begebenheit sie dabei ganz besonders bewegte: „Wir haben gemeinsam mit einem Mann das dem Heiligen Franz von Assisi zugeschriebene Friedensgebet gesprochen. Dessen erste Zeilen ’Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens / dass ich liebe, wo man hasst / dass ich verzeihe, wo man beleidigt / dass ich verbinde, wo Streit ist’ bringen unser Anliegen exakt auf den Punkt“, sagt Sobottka-Wermke über den inspirierenden Moment. Wer sein Herz weite, ermögliche eine andere Qualität von Begegnungen und bereite mit dieser Haltung den Boden dafür, dass man wieder auf respekt- und friedvolle Weise miteinander ins Gespräch kommen könne. Denn: „Blickt man etwa auf die gegensätzlichen Positionen in Sachen Corona, gibt es sicher auf beiden Seiten Verhärtungen“, meint sie.

Pfarrer Michael Bartsch setzte in der Auftaktandacht Impulse für die Aktion.
Pfarrer Michael Bartsch setzte in der Auftaktandacht Impulse für die Aktion.
(Foto: Andreas Löffler)

Auch Dompfarrer Michael Bartsch hatte bei der von Domkantor Jan-Martin Drafehn auf der Orgel begleiteten Auftaktandacht daran erinnert, „dass vor Gott alle Menschen gleich sind“ - verbunden mit dem Aufruf, trotz vielleicht ganz unterschiedlicher Meinungen im Gebet vereint zu sein: Viele berührende Momente sollten folgen.

Nachdem er zum Abschluss der Auftaktandacht sein Gebetsanliegen aufgeschrieben und ein Kerzenlicht für Frieden entzündet hatte, kam Markus Müller mit unserer Zeitung über seine ganz persönlichen Beweggründe für die Teilnahme an der Aktion „24 Stunden Reden mit Gott“ ins Gespräch: „Es gibt so viele Themen, die mich im Moment sehr beschäftigen - allem voran die Krise in der Ukraine und die sich dort aufschaukelnde Kriegsgefahr“, sagte der 68-jährige. Und natürlich sorge er sich auch um den wachsenden Riss quer durch die Bevölkerung in der Haltung zu den Pandemie-Maßnahmen und zum Thema Impfen. „Mir ist es wichtig, ein Zeichen für ein Mit- statt Gegeneinander zu setzen“, beschrieb der Naumburger seine Motivation.

Es gibt so viele Themen, die mich im Moment sehr beschäftigen.

Teilnehmer Markus Müller

Evelyne Leipoldt bekannte freimütig, wie sehr es ihr zu schaffen mache, „wenn Menschen in Hunger und Krieg keine Unterstützung bekommen“. Sie habe daher ein entsprechendes Gebetsanliegen formuliert. Mit Blick auf die Spaltung der Gesellschaft hierzulande treibe sie um, „dass wir es offenbar immer weniger schaffen, unserer Traurigkeit und unserem Ärger auf eine Weise Ausdruck zu verleihen, die doch respektvoll gegenüber dem bleibt, der die eigenen Einschätzungen nicht teilt.“

Es liege auf der Hand, dass es selbst innerhalb der Kirchengemeinden, die ja schlicht ein Abbild der Gesellschaft seien, keine einhellige Meinung zu Corona gebe. „Aber wir sollten, so schwer es manchmal - und auch mir! - fällt, zumindest miteinander im Gespräch zu bleiben versuchen“, lautete der Appell der 80-jährigen Naumburgerin, die mit zwei Freundinnen zur Auftaktandacht in die Marienkirche gekommen war.