Vorwürfe gegen Günther Adolphi Vorwürfe gegen Günther Adolphi: Manfred Linck findet brisante Dokumente
Merseburg - Günther Adolphi ist vielen Merseburgern ein Begriff. Kein Wunder, war der Verfahrenstechniker nach dem Zweiten Weltkrieg doch maßgeblich am Wiederaufbau der Leuna-Werke beteiligt und ein international anerkannter Professor an der damaligen Technischen Hochschule Leuna-Merseburg. Im vergangenen Jahr wurde sogar eine Straße an der Hochschule nach dem 1982 verstorbenen Ehrenprofessor benannt (die MZ berichtete).
Als Fachkraft in Ausschwitz tätig
Ein Zufallsfund wirft nun allerdings Fragen auf und zeigt ein dunkles Kapitel aus dem Leben eines Wissenschaftlers mit Namen Adolphi. Denn wie bislang unbekannte Dokumente zeigen, arbeitete ein Adolphi ab 1943 für die IG Farben in Auschwitz. War es Günther Adolphi, der Ehrenprofessor? Oder sein Sohn? „Als ich in der MZ von der Straßenwidmung las, erinnerte ich mich an Unterlagen, die auf einem Dachboden gefunden und mir angeboten wurden“, erzählt Manfred Linck. Der Bad Dürrenberger, der an der Universität Halle Geschichte studiert, sichtet die Dokumente, die zum Teil auch der MZ vorliegen, und recherchiert. Nach einigen Wochen Arbeit sieht er seinen Anfangsverdacht bestätigt. „Wie der Schriftverkehr belegt, war Adolphi in Ausschwitz, wo in einer Methanolanlage Treibstoff hergestellt wurde“, erklärt Linck. Er war einer von Tausenden Fachkräften aus der Region, die im Buna-Werk IV in Auschwitz tätig waren.
Schweigen über die Zeit in Ausschwitz
Bei den Recherchen stößt die MZ auf weiteres Material, das schwere Vorwürfe gegen Adolphi erhebt: Bereits im Jahr 2009 beleuchtete der Historiker Georg Wagner-Kyora in seiner Habilitationsschrift „Vom ’nationalen’ zum ’sozialistischen’ Selbst“ Biografien deutscher Chemiker während der NS- und DDR-Zeit. Ein ganzes Kapitel widmet sich dabei der Tätigkeit Günther Adolphis, der von 1943 bis Januar 1945 als Unterabteilungsleiter in der Hydrierung und als Montageleiter für den Aufbau der Methanolfabrik zuständig war. „In dieser Funktion hatte er mutmaßlich persönlich KZ-Häftlinge bei Bauarbeiten eingesetzt, beaufsichtigt und ihre Arbeitsfähigkeit kontrolliert sowie diszipliniert“, schreibt der Historiker in seinem Buch. Da er sich über die Zeit in Ausschwitz stets ausschwieg, versucht Wagner-Kyora über Berichte von Adolphis Kollegen die Alltagserfahrungen zu rekonstruieren. Dabei wird deutlich, dass die Ingenieure das Leid der Häftlinge und deren massenweises Sterben aufgrund von Hunger und Kälte mitbekamen und dem gegenüber mit der Zeit abstumpften.
„Fehlerhafte Recherche“
Damit konfrontiert, reagierten sowohl Hochschule als auch die Stadt Merseburg überrascht, versprachen aber eine genauere Recherche: Zunächst ging es dabei um eine Prüfung, ob womöglich Vater und Sohn Adolphi verwechselt wurden. Hochschul-Sprecherin Ines Wahl kritisiert bei Wagner-Kyora eine „fehlerhafte Recherche“, nennt aber keine Details. Zudem äußere er Vermutungen, die er nicht beweise. „Adolphi hat seine Erlebnisse später nicht öffentlich aufgearbeitet, das könnte man ihm vorwerfen“, erklärte Wahl.
Die Stadt verwies an die Hochschule, bei der eine Namensfindungskommission unter anderem Adolphi als Namensgeber für eine Straße vorgeschlagen hatte. „Dort muss man das jetzt prüfen“, sagte Merseburgs Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU). „Sollte sich dabei herausstellen, dass an den Vorwürfen etwas dran ist, werde ich dem Stadtrat die umgehende Entwidmung vorschlagen.“
Vater und Sohn verwechselt? Angesichts des neuen Fundes in Bad Dürrenberg scheint diese Theorie durchaus plausibel, denn in den Briefköpfen und Signaturen ist ausschließlich der Name „D.I. (Diplomingenieur, Anm. der Red.) Adolphi“ zu lesen. Der Historiker Wagner-Kyora hingegen hat Günther Adolphi nach eigenen Worten eindeutig identifiziert. Sein Wissen über die Tätigkeit Adolphis in Auschwitz stützt sich nämlich auf die Aussagen des Sohnes, der von seinem Vater als 15-Jähriger nach Auschwitz geholt wurde, um in der dortigen Tischlerei eine Lehre zu machen.
Sohn berichtet Beobachtungen
Während Günther Adolphi nach Kriegsende beteuerte, nichts über Auschwitz zu wissen, soll sein Sohn der Stasi, von der er laut Akten in den 60er Jahren als Inoffizieller Mitarbeiter angeworben wurde, über seine Beobachtungen berichtet haben, so Wagner-Kyora. Details dazu lassen sich in seiner Personalakte nachlesen, in der er als „Dr. Anton“ von Auschwitz berichtet. (mz)