Vorsichtiger Neustart Vorsichtiger Neustart: Kommt das Leben zurück in die Merseburger Innenstadt?

Merseburg / Leuna - Vor rund vier Wochen hatten Ruth Kaufmann und Lisa Hilpert ihre Schuhe bestellt. Jetzt trafen sich die 86-jährigen Zwillingsschwestern im Schuhgeschäft in der Merseburger Gotthardstraße, um alles abzuholen. Angst vor Ansteckung? „Überhaupt nicht. Wir halten Abstand, und ich denke, dass das alles gut funktioniert “, meint Ruth Kaufmann. Auch ihre Schwester ist gar nicht ängstlich. „Da können wir uns eben alle nur zuwinken. Das geht schon“, sagt Lisa Hilpert, die gerade erst eine Lungenentzündung überstanden hat. „Und ich hatte keine Angst, mich mit Corona infiziert zu haben.“
Tiefenentspannung bei denen, die in der Innenstadt von Merseburg unterwegs sind?
Nicht alle Menschen sind an diesem Tag so entspannt unterwegs wie die Zwillinge. „Wenn ich nicht unbedingt zur Bank müsste, wäre ich auf keinen Fall hier unterwegs“, meint die Dame, die eine kurze Pause von der Büroarbeit eingelegt hat. „Diese Lockerungen - das ist viel zu früh. Das wird sich rächen und wir werden uns umgucken.“
Man hat tatsächlich den Eindruck größter Tiefenentspannung bei denen, die in der Innenstadt unterwegs sind. Man sieht kaum Masken. Nur vor wenigen Geschäften bilden sich Schlangen, in denen Menschen mit Sicherheitsabstand stehen. Und das auch nur dort, wo darum gebeten wird, einzeln einzutreten.
Zweifel, dass Geschäfte trotz erster Lockerungen die Krise überstehen werden
Bei Geschäften wie Ernstings Family, in dem sich 13 Personen gleichzeitig aufhalten dürfen, oder Mäc Geiz – hier sind es maximal 30 Personen – scheint es ein Rein und Raus zu sein wie noch zu Vor-Corona-Zeiten. Das Merseburger Ordnungsamt kontrolliert nach Aussage von Ulrike Findeisen, Sachgebietsleiterin im Bürger- und Ordnungsamt.
Jedoch auch streng die Einhaltung der seit Montag geltenden 4. Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus. René Möbius, der in der Gotthardstraße unterwegs ist, hat so seine Zweifel, ob alle Geschäfte trotz erster Lockerungen die Krise überstehen werden. „Das wird für manche sehr, sehr schwer.“
80 Prozent, der Läden, die öffnen dürfen, tun es bereits
Besonders für Gastronomen werde die Situation existenzbedrohend. „Könnte man denn nicht Zweiertische mit entsprechend großem Abstand zulassen? Das wäre doch vernünftig.“ Probleme, Sicherheitsabstände einzuhalten, gibt es im Nova in Günthersdorf nicht. Nur wenige Besucher verlieren sich in dem weitläufigen Bau, gerade im hinteren Teil haben auch noch viele Läden geschlossen.
Es sind nicht nur die großen Mieter wie Media Markt oder H&M, die über der zulässigen Grenze von 800 Quadratmetern Verkaufsfläche liegen, sondern auch kleinere Geschäfte. Centermanager Peter Lehnhardt schätzt, das etwa 80 Prozent, der Läden, die öffnen dürfen, es bereits wieder tun. „Das ist eine ganze Menge.“ Einige würden im Laufe der Woche noch hinzukommen. „Sie müssen sich erst auf die Hygienemaßnahmen, wie Spuckschutz, vorbereiten.“
Corona-Sicherheitsmaßnahmen: Spuckschutz, Desinfektionsmittel und Abstand halten
Auch könnten Geschäfte nicht immer ihre regulären Öffnungszeiten abdecken, weil Mitarbeiterinnen ihre Kinder betreuen müssten. Das Nova will deshalb ab Dienstag die Öffnungszeiten der einzelnen Mieter auf die Website stellen.
Die haben wegen Corona teils auch baulich aufgerüstet. Der Spuckschutz hängt fast überall vor den Kassen der Geschäfte. Ansonsten ist das Maßnahmenspektrum breit.
Bei einigen Läden hängt ein schlichter Zettel mit der Bitte nach Abstand im Schaufenster, andere haben ausführliche Litaneien aufgehängt, mit Schildern, wie viele Kunden maximal hinein dürfen. In einigen Geschäften sind Ein und Ausgang über Pfeile auf dem Boden getrennt, bei anderen stehen Flaschen mit Desinfektionsmittel im Eingang: „Bitte die Hände desinfizieren“, ruft die Verkäuferin eines Modegeschäfts.
Schutzmaßnahmen der Läden seien gut
Manche Leute seien genervt, wenn man sie darum bitte, berichtet sie: „Aber irgendwie müssen wir uns ja auch schützen.“ Zu den wenigen Kundinnen gehört auch Sarah Hielscher. Die Kötschlitzerin kommt gerade mit einer Tüte aus einem Modegeschäft: „T-Shirts, Hosen, alles, was man für den Sommer braucht.“ Sie habe schon darauf gewartet, dass die Geschäfte wieder aufmachen. Die Schutzmaßnahmen der Läden seien gut, befindet die Käuferin, Abstände würden eingehalten.
Lehnhard sagt: „Wir kommen langsam wieder Richtung Normalität.“ Mit einem üblichen Montag sei der Publikumsverkehr aber nicht vergleichbar, auch weil eben die Ankermieter und die Möbelhäuser der Nachbarschaft noch zu hätten. Der Centermanager hofft, dass in zwei Wochen, dann auch die Regelungen für Großgeschäfte und vor allem die Gastronomie gelockert werden. (mz)