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Vor 40 Jahren ertranken zwei Kubaner in der Saale Vor 40 Jahren ertranken zwei Kubaner in der Saale: "Mama die Männer sind tot"

Von Michael Bertram 13.08.2019, 12:00
Vor 40 Jahren starben die beiden kubanischen Vertragsarbeiter Delfin Guerra und Raúl García Paret in Merseburg gewaltsam. An sie wurde jetzt erinnert.
Vor 40 Jahren starben die beiden kubanischen Vertragsarbeiter Delfin Guerra und Raúl García Paret in Merseburg gewaltsam. An sie wurde jetzt erinnert. Michael Bertram

Merseburg - Schweigend verharren die Teilnehmer einer Demonstration am Montagabend auf der Neumarktbrücke in Merseburg. Genau 40 Jahre nach dem gewaltsamen Tod der beiden kubanischen Vertragsarbeiter Delfin Guerra und Raúl García Paret gedenken sie gerade der Verstorbenen, als sich ein kleines Mädchen mitten auf die Brücke tritt und mit starrem Blick auf das durchströmende Wasser der Saale schaut, in denen die Kubaner am 12. August 1979 ertranken.

„Mama, die Männer sind tot“, ruft das Kind mit seinen lockigen Haaren plötzlich entsetzt, als wäre es ihm gerade bewusst geworden, warum alle drumherum schweigen und Trauer tragen.

„Rassistische Gewalt darf nicht stillschweigend akzeptiert werden“

Im Zusammenhang mit dem nicht vollständig aufgeklärten Tod der beiden Kubaner Delfin Guerra und Raúl García Paret hat die Landtagsabgeordnete Henriette Quade (Linke) bei der Staatsanwaltschaft Halle jetzt Strafanzeige wegen des Verdachts des Mordes gegen Unbekannt gestellt. Damit will die Politikerin erreichen, dass sich die Behörde noch einmal mit den Geschehnissen in Merseburg vom 12. August 1979 auseinandersetzt.
Dass hatte die Staatsanwaltschaft allerdings schon im Jahr 2016 getan, wie auch aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten im vergangenen Monat hervorging. Damals hatte die Behörde entschieden, keine Mordermittlungen einzuleiten, weil die Anhaltspunkte dazu fehlten. Andere mögliche Straftaten, wie zum Beispiel Totschlag, seien mit Verweis auf die eingetretene Verjährung zudem nicht geprüft worden.

Nur wenige Minuten zuvor war ein Tross von Demoteilnehmern - die Polizei sprach von rund 120 Personen - lautstark durch die Merseburger Innenstadt gezogen. Mit der von der Initiative „12. August“ auf die Beine gestellten Veranstaltung, zu der auch mehrere Kundgebungen gehörten, sollte ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt werden, der nach Ansicht der Organisatoren ursächlich am Tod der zwei Kubaner Ende der 70er Jahre gewesen sei. „Rassistische Gewalt darf nicht stillschweigend akzeptiert werden“, forderte Cynthia Zimmermann mit Blick auf damals und heute.

Die in ihren Augen wiederkehrende Abgestumpftheit sei es, die die Initiative bekämpfen will. Tatsächlich sind die Umstände des Todes der Kubaner nicht restlos geklärt.

Bereits am 11. August war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kubanern und Deutschen in der Stadt gekommen. Als in der Folgenacht eine Gruppe Kubaner in die ehemalige Diskothek „Saaletal“ stürmte, um zurückzuschlagen, eskalierte die Gewalt. Die beiden Todesopfer sollen in der Folge von der Neumarktbrücke in den Fluss gestürzt sein, wo sie ertranken.

Kritik wurde am Montagabend auch an der Stadt Merseburg laut

Nicht nur die Initiative, sondern auch Harry Waibel, ein Historiker, der sich mit Rassismus in der DDR beschäftigt hat, geht davon aus, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft damals zügig eingestellt wurden, um die guten Beziehungen zu Kuba nicht zu torpedieren. Das gehe auch aus Stasi-Unterlagen hervor.

Kritik wurde am Montagabend auch an der Stadt Merseburg laut. Die Initiative wollte eigentlich eine Gedenktafel an der Neumarktbrücke anbringen, was Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) jedoch ablehnte. „Wir lassen uns davon nicht entmutigen und wollen dieses Gedenken jetzt jedes Jahr wiederholen“, sagte ein Sprecher zum Abschluss. Bühligen wiederum erklärt gegenüber der MZ, das Thema im Stadtrat zu diskutieren, falls das Gremium einen solchen Wunsch äußere. (mz)

Die Demo führte von der Kliaplatte bis zur Neumarktbrücke.
Die Demo führte von der Kliaplatte bis zur Neumarktbrücke.
Michael Bertram