Umfrage Umfrage : Wer sind die AfD-Wähler in Merseburg?
Merseburg - Beim Einkaufen ist man sich einig: Brötchen, Butter, Waschmittel und andere Dinge kaufen viele Bewohner von Merseburg-West beim Discounter an der Oeltzschnerstraße. Auch bei der Landtagswahl waren sich viele Leute aus dem Viertel einig: In West konnte die nationalkonservative AfD so viele Stimmen auf sich vereinen wie in kaum einem anderem Stadtteil. Die MZ sprach vor Ort mit Wählern und bewussten Nichtwählern, Erstwählern und Menschen, die erzählen, was sie gewählt hätten, wenn sie Zeit gehabt hätten. Eine Momentaufnahme.
Eine Frau mit Kind erzählt , dass sie die AfD gewählt habe. „Ich war vorher noch nie wählen“, sagt die 29-Jährige. Sie habe sich von Freunden erklären lassen, was sie machen muss. „Es war eigentlich ganz einfach.“ Aus ihrem Bekanntenkreis seien viele extra wegen der AfD wählen gegangen. Und warum hat sie diese Partei gewählt? „Weil alle sie gewählt haben.“
In dem in West gelegenen Wahllokal im Curanum erhielt die AfD 30,01 und 34,65 Prozent der Zweitstimmen. Auch in einem Wahllokal der Grundschule-West lag die AfD bei 29,57 Prozent. Doch natürlich gibt es auch Menschen in West, denen die AfD zu weit rechts ist.
„Ich habe die Linken gewählt. So wie immer“, sagt eine 78-Jährige. „Ich war ja entsetzt, wie die Wahl ausgegangen ist.“ Sie sieht ehrlich erschüttert aus. „Ich muss sagen, ich schäme mich für dieses Land.“
Eine Frau, die mit Einkaufstüten aus dem Markt kommt, erzählt, dass sie CDU gewählt hat. „Ich gehe immer wählen. Wenn man zu DDR-Zeiten bis 14 Uhr nicht wählen war, da kamen sie ja gleich mit der Wahlurne zu einem nach Hause.“ Ihr sei schon vorher klar gewesen, dass es bei der Wahl diesmal knapp werden würde, sagt die 76-Jährige. „Aber die, die jetzt so viele Stimmen gekriegt haben, die mag ich nicht.“
Eine 20-Jährige, die gerade mit ihrer Mutter zum Einkaufen kommt, erzählt, dass sie nicht wählen gegangen sei, weil ihre Post geklaut worden sei. „Ich habe keine Wahlbenachrichtigung bekommen. Deshalb wusste ich nicht, ob ich wählen kann.“ Dass es ausgereicht hätte, sich im Wahllokal mit dem Personalausweis auszuweisen, wusste sie nicht. Wäre sie wählen gegangen, hätte sie ihren Stimmzettel durchgestrichen. Dann hätte sie doch aber niemanden gewählt? „Ich finde keine Partei gut - weder AfD noch CDU, aber damit meine Stimme nicht verfällt und irgendwie gezählt wird, hätte ich das gemacht.“ Im Land müsste sich nicht mal so viel ändern. Politisch wünsche sie sich eine Mischung aus CDU und AfD. „Ich kenne das Wahlprogramm der AfD und bin nicht absolut deren Meinung.“ Die Sache mit den Flüchtlingen müsse man aber eingrenzen. „Ich finde es eigentlich nicht wirklich schlimm. Man merkt ja, dass weniger Flüchtlinge kommen. Allerdings weiß man nicht, ob alles stimmt, was die Medien berichten. Deshalb höre ich da nicht drauf.“
Mit den Rechten wolle er nichts zu tun haben, sagt ein Mann, der gerade mit dem Fahrrad zum Einkaufsmarkt kommt. „Ich habe CDU gewählt“, erklärt der 60-Jährige. Beinahe entschuldigend fügt er hinzu, dass er in einem Jahr mal nicht wählen gehen konnte. Ansonsten habe er immer seine Stimme abgegeben. Mit dem aktuellen Wahlergebnis müsse man nun leider leben. „Und fünf Jahre sind sehr, sehr lang.“
Eine ältere Dame setzt auf das Modell Ausprobieren. „Ich habe das gewählt, was alle jetzt gewählt haben, die AfD.“ Warum? „Na ja, es hieß, dass die alles verändern werden. Nun müssen wir erstmal sehen.“ Früher habe sie CDU gewählt. „Aber mit denen war ich in letzter Zeit nicht so zufrieden“, meint die 77-Jährige mit einem beinahe entschuldigenden Lächeln.
Er sei nicht zur Wahl gegangen, meint ein Mann, der es eilig hat. „Das steht doch vorher schon fest, wer da gewinnt.“ Ach so.
„Ich hab’ die Grünen gewählt“, erzählt dagegen ein 19-jähriger Erstwähler mit einem beinahe stolzen Lächeln. „Ich musste auch gar nicht lange überlegen, wen ich wählen soll.“ Auch die 76-jährige, die nach der Wende CDU gewählt hatte, hat sich für die Farbe Grün entschieden - nicht zum ersten Mal, wie sie sagt. Mit dem Gedanken, die AfD zu wählen, habe sie nie geliebäugelt. „Man weiß doch gar nicht, was das für eine Partei ist.“
Einer anderen Frau ist die Enttäuschung über den Wahlausgang deutlich anzumerken. „Ich habe FDP gewählt“, so die 33-Jährige. „Aber ich habe das Gefühl, dass hier in West viele Anhänger der AfD sind.“
So wie der 25-Jährige, der mit Freundin und Hund kurz stehen bleibt. Er sei nicht wählen gewesen. Keine Zeit. Sonst hätte er schon mitgemacht. „Wenn ich wählen gegangen wäre, hätte ich AfD und NPD gewählt.“ Es war ihm nicht unangenehm und er sagte es so laut, dass es auch der Mann mit dem Fahrrad hören konnte. Dieser schüttelte den Kopf. (mz)