Stadtgeschichte näher bringen Stadtgeschichte näher bringen: Die Schildermacher von Merseburg

Merseburg - „Beim Geschichtsbewusstsein der jungen Leute müssen wir nachhaken. Wenn man schaut, wie hoch der Altersschnitt bei Geschichtsveranstaltungen ist, dann ist das schon besorgniserregend“, findet Uwe Triebel. Dem Lehrer a. D. ist als Mitglied des Altstadtvereins die Geschichtsvermittlung wichtig.
Gemeinsam mit Angela Biemann liefert er den Merseburgern deshalb seit vier Jahren historisches Wissen im Häppchenformat. Die beiden zeichnen für die kleinen blauen Zusatzschilder unter den Merseburger Straßennamen verantwortlich, die über deren Ursprung informieren. „Wir nähern uns mittlerweile dem 30. Schild“, sagt Triebel.
Drei- bis vierzeilige Texte für die Schilder
Der 68-Jährige kümmert sich um die genauen drei- bis vierzeiligen Texte und die Fertigung der Schilder. Biemann, die auch als Stadtführerin aktiv ist, kümmert sich um die Quellenarbeit. „Es gab in der Vergangenheit viele Veröffentlichungen, die sich mit Merseburger Straßennamen beschäftigt haben“, erzählt Triebel. Aber man müsse natürlich die Richtigkeit überprüfen.
Die Stadthistoriker seien sich auch nicht immer einig gewesen, berichtet seine Mitstreiterin und führt das Beispiel Entenplan an: „Ein Heimatforscher hat den Namen auf die Wenden zurückgeführt, die hier einst lebten. Zwei andere sagten, es hatte mit einem Geflügelmarkt zu tun.“ Letztere Erklärung stellte sich als die richtige heraus.
„Viel schlimmer war die Markwardstraße“
Doch nicht immer ist die Quellenlage so üppig und der Gang in Stadtarchiv allein reicht nicht: „Viel schlimmer war die Markwardstraße“, berichtet Biemann: „Hier gab es nur einen Satz.“ Der stand in einer Urkunde aus dem Jahr 780, die den Grafen, der einst die Region um Merseburg regierte, erwähnte.
Den Impuls zum Schilderprojekt, das den Namen Aha-Effekt trägt, ging von einer ähnlichen Initiative aus Halle aus, die den Merseburger Stadthistorikern von ihrer Arbeit berichtete und sie von der Idee überzeugte. Heute arbeiten Triebel und Biemann quasi auf Bestellung. Die 45-Euro-teuren Schilder werden gesponsert. Meist von Anwohnern der Straßen oder von Einwohnern, die berufliche Beziehungen zum jeweiligen Namenspatron haben.
„Wir haben schon sechs Schilder fertig liegen“
Häufig sei es auch ein Geschenk, sagt Triebel. Bei der Herrfurthstraße habe aber etwa die Urenkelin des Fotograf des Schild beantragt. Doch nicht jede Straße kommt für eine solche Infotafel in Frage. Die Kriterien seien klar, erörtert der Hobbyhistoriker: Die Person müsse einen möglichst direkten Bezug zu Merseburg haben und der Straßenname nicht offensichtlich erklärbar sein: „Ein Zusatzschild an der Weißenfelser Straße oder der Goethestraße wäre witzlos.“
Über die Zukunft ihres Projekts müssen sich die beiden Verantwortlichen keine Gedanken machen. „Wir haben schon sechs Schilder fertig liegen“, berichtet Triebel. Die sollen aber wie bisher peu à peu angebracht werden, etwa eins pro Quartal. Damit immer wieder auch die Aufmerksamkeit für die historischen Themen geweckt wird. Die nächste Zusatztafel soll im September in der Joachim-Quantz-Straße angebracht werden. Der Namenspatron war Flötenlehrer Friedrich II. (mz)