Staatsanwaltschaft ermittelt Staatsanwaltschaft ermittelt: Schwere Vorwürfe gegen insolventen Bäckermeister

Merseburg - Die ehemaligen Mitarbeiter warten noch auf Lohn. Auch Sozialabgaben wurden nicht abgeführt und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Bäckermeister Lars Brzyk selbst, der alle Vorwürfe abstreitet, hat das Metier gewechselt. Doch das Wichtigste: Am Sonntag will er für die Grünen in den Stadtrat und in den Kreistag einziehen.
Viele Merseburger waren verwundert, als das Geschäft an der Ecke Weiße Mauer/Christianenstraße überraschend am 1. April dieses Jahres geschlossen war. MZ berichtete, dass Bäckermeister Lars Brzyk in Insolvenz gegangen war.
Ehemalige Angestellte des Bäckermeisters erheben schwere Vorwürfe gegen den 34-Jährigen
Seine im MZ-Gespräch geäußerte Begründung, dass nämlich die Schließung des benachbarten Rewe-Marktes und des dazugehörigen Parkplatzes schuld seien an seiner Misere, löste eine Welle der Empörung bei den Lesern der MZ aus, die sich dazu auf Facebook austauschten.
Nun erheben ehemalige Angestellte des Bäckermeisters schwere Vorwürfe gegen den 34-Jährigen. Er schulde mehreren von ihnen noch Lohn. Außerdem soll er vermutlich seit 1. Februar keine Sozialabgaben mehr an die Krankenkassen abgeführt haben. Brzyk weist jede Verantwortung von sich. Ein Mitarbeiter hat sich zwischenzeitlich anwaltliche Unterstützung gesucht: „Ich habe Herrn Brzyk auf Zahlung des ausstehenden Lohnes verklagt und bin sehr gespannt, ob ich das Geld bekomme.“
Insolventer Bäckermeister: Ob die Vorwürfe berechtigt sind, ist vorerst unklar
Ob die Vorwürfe berechtigt sind, ist vorerst unklar. Sollte sich herausstellen, dass Sozialabgaben rechtswidrig nicht abgeführt wurden, würde das schwer wiegen, denn laut Paragraf 266 a Strafgesetzbuch wird, „wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthält, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe“ bestraft.
„Wir mussten am 31. Januar alle einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen. Danach haben wir einen neuen Arbeitsvertrag mit einer neuen Firma bekommen“, erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter der MZ. „Herr Brzyk hat die Verträge unterschrieben.“
In mindestens zwei Fällen hat die Firma, bei der die Mitarbeiter dann angestellt waren, keine Abgaben abgeführt
In mindestens zwei der MZ bekannten Fällen hat die Firma, bei der die Mitarbeiter dann angestellt waren, keine Abgaben abgeführt. Beweis: Nach Ausfüllen mehrerer Vollmachten durch die Geschädigten bekam MZ Auskunft von zwei unterschiedlichen Krankenkassen.
Darin wird bestätigt, dass „für die Zeit vom 1. Februar 2019 bis 30. April 2019 keine An- und Abmeldung durch den Arbeitgeber vorliegt“, so dass für betreffende Mitarbeiter von der Krankenkasse weder Abgaben an die Agentur für Arbeit noch an den Rententräger abgeführt werden konnten. „Vom neuen Arbeitgeber sind keine Beiträge eingegangen“, hieß es. Damit haben die Betroffenen nicht belegte Beitragsmonate in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung.
Bei einem Mitarbeiter steht noch Lohn im niedrigen vierstelligen Bereich aus
Bei einem Mitarbeiter steht noch Lohn im niedrigen vierstelligen Bereich aus. Bei einem anderen ist es etwa das Vierfache. Die Vermutung liegt nahe, dass noch weitere Ex-Mitarbeiter Brzyks, die Ende März die Kündigung zum 30. April erhalten hatten, Lohnforderungen gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber haben.
MZ hat Lars Brzyk schriftlich mit den Vorwürfen konfrontiert und um Stellungnahme gebeten. Seine Antwort: „Im Hinblick auf Ihre Anfrage teile ich Ihnen mit, dass ich den Geschäftsbetrieb meiner Einzelfirma zum 31. Juli 2018 eingestellt habe und ab dem 1. August 2018 als Angestellter gearbeitet habe. Insofern ist es nicht richtig, wenn mir vorgeworfen wird, dass ich für mehrere Mitarbeiter ab 1. Februar 2019 keine Sozialabgaben an die Krankenkassen abgeführt habe. Ich habe zu diesem Zeitpunkt keine Mitarbeiter beschäftigt.“
„Herr Brzyk hat immer so getan, als wäre er der Chef“
Ein ehemaliger Mitarbeiter zeigte sich verwundert: „Herr Brzyk hat immer so getan, als wäre er der Chef und es hat sich im Vergleich zur Zeit vor dem 1. August 2018 auch nichts verändert.“ Außerdem habe Brzyk auch immer alle Verträge, Quittungen und auch die Kündigung unterschrieben. Jemand anderes hätte das nicht getan.
Brzyk hatte zum 1. Januar 2014 den Traditionsbetrieb der Familie Graupner übernommen - eine Bäckerei, die in Merseburg sehr bekannt war. Brzyk hat expandiert, verkaufte auch in anderen Städten. 2015 war der Bäckermeister noch mit seinem Merseburg-Brot in einer ZDF-Backshow gelandet und hatte im selben Jahr den Gründerpreis des Saalekreises gewonnen.
2016 wurde Brzyk zum Vorsitzenden des Stadtverbandes der Linken in Weißenfels gewählt
Er sonnte sich in seinen Erfolgen, war und ist auch politisch eine öffentliche Person, postet lachende Daumen-hoch-Fotos auf Instagram - unter anderem mit einer Teilnehmerin der Special Olympics im März 2019 in Abu Dhabi. 2016 wurde er zum Vorsitzenden des Stadtverbandes der Linken in Weißenfels gewählt. 2017 wollte er noch Bürgermeister in Lützen (Burgenlandkreis) werden. Jetzt will er für die Grünen in den Merseburger Stadtrat und in den Kreistag des Saalekreises einziehen.
Der Bäckermeister hat mittlerweile die Branche gewechselt, ist in der Immobilienbranche tätig, während einer seiner ehemaligen Mitarbeiter beispielsweise beim Eigenbetrieb für Arbeit um einen zusätzlichen Mietzuschuss und weitere Unterstützung zur Existenzsicherung bitten musste, weil das Geld nicht reichte.
Mutter beim Gewerbeamt als Geschäftsführerin gemeldet
Nochmalige Nachforschungen der MZ ergaben, dass Brzyk offenbar tatsächlich ab 1. August 2018 seine Mutter als Geschäftsführerin eingesetzt hatte. Auch für die ab 1. Februar gegründete Nachfolgefirma war sie beim Gewerbeamt als Geschäftsführerin gemeldet. Auf Nachfrage der MZ bei Gabriele Brzyk zu ausstehenden Lohnzahlungen sagte sie: „Das Geschäft hat aber mein Sohn geleitet.“ Auf die Frage, ob sie in der insolventen Bäckerei jemals Verträge unterzeichnet habe oder Geschäfte abgewickelt habe verneinte sie. Das habe alles ihr Sohn gemacht.
Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft gegenüber der MZ ist gegen die Geschäftsführerin aktuell ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung anhängig. Gegen Lars Brzyk hat die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl wegen Veruntreuung (Vorenthalten) von Arbeitsentgelt beim Amtsgericht Merseburg beantragt worden.
Brzyk selbst weist jede Schuld von sich
Brzyk selbst weist jede Schuld von sich. Auf die Frage, ob das ihm von ehemaligen Mitarbeitern vorgeworfene Geschäftsgebaren mit der Kandidatur für zwei öffentliche Ämter vereinbar ist, antwortete Brzyk: „Ich bin politisch davon überzeugt, dass zu guter Arbeit auch faire Löhne gehören und Arbeitgeber*innen gegenüber ihren Angestellten in der Verantwortung stehen.
Das gilt auch für das Bäckereihandwerk und auch in einer Situation, in der deutschlandweit die Zahl der Handwerksbäckereien von 19.813 im Jahr 2010 auf 11.347 Betriebe im Jahr 2018 sank, weil viele Handwerkskollegen wie ich ihren Betrieb aufgeben mussten.“ Für die Aufarbeitung aller im Zusammenhang mit seiner Geschäftsaufgabe stehenden Sachverhalte stehe er den Betroffenen zur Verfügung und bemühe sich um Klärung, so Brzyk in seiner Antwort an die MZ. (mz)