Vom Garagenbetrieb zum Imperium Spiele-Verlag in Merseburg gegründet: Zwei Merseburger starten durch

Merseburg - Auf der 7 ist die Rockwelt noch in Ordnung: Lemmy Kilmister hält an den Tresen gelehnt seine tägliche Jack-Daniels-Ration in der Linken. Der vor anderthalb Jahren verstorbene Frontmann von Motörhead ist nur einer der illustren Kneipengäste, die sich auf den Karten von „Half-Pint-Heroes“ wahlweise dem Suff oder Drohgebärden hingeben. Verantwortlich für dieses grafische Rowdytum sind Robert Letsch und Frank Noack.
Die Merseburger haben sich mit ihrem Versandshop „Spiele-Offensive“ einen Namen gemacht und wagen jetzt den nächsten Schritt: den eigenen Spieleverlag.
Spieleverlag in Merseburg gegründet: Fokus aus anspruchsvolle Strategiespiele
Corax heißt der. Name und Logo sind Reminiszenz an die Heimatstadt. Ein Rabe hält vor der Merseburger Stadtsilhouette das als Goldring ausgestaltete O des Namens in seinem Schnabel. Im vergangenen Sommer sei das erste Spiel unter eigener Flagge erschienen, berichtet Noack.
Ein halbes Dutzend weiterer Titel ist seither hinzugekommen. Spiele anderer Verlage, die Corax in Lizenz produziert und teilweise für den deutschen Markt noch modifiziert: „Wir haben schöne Spiele im Ausland gesehen, die es hier nicht gibt, die aber den speziellen Geschmack unserer Zielgruppe treffen“, erklärt Noack, weshalb sie den eigenen Verlag gründeten.
Dessen Zielgruppe sind Vielspieler: „Die wollen anspruchsvollere, strategischere Spiele, in denen es verschiedene Wege zum Sieg gibt und ein interessantes Thema.“
Gründer des Spieleverlags in Merseburg: „Man muss ein Spiel entwickeln, das sich nicht anfühlt wie jedes dritte andere auch.“
Mit ihrem Verlag seien sie deshalb auf der Suche nach Spielen, die Lücken auf dem rasant wachsenden Spielemarkt füllen. Das Wichtigste sei der Spielreiz, gibt Noack Einblick in die eigenen Kriterien: „Man muss ein Spiel entwickeln, das sich nicht anfühlt wie jedes dritte andere auch.“ Ein komplexer Ansatz ist dabei kein Muss: „Teilweise ist es auch die einfache Idee, auf die nur noch keiner gekommen ist.“
Mit ihrem Verlag können die beiden Firmenchefs auf die in den vergangenen 15 Jahren entwickelte Infrastruktur ihres kleinen Spieleimperiums zurückgreifen. Die hauseigene Crowdfunding-Plattform Spieleschmiede dient etwa als Teststrecke, ob die ausgewählten Spiele tatsächlich beim anspruchsvollen Publikum ankommen. Finden sich genügend Geldgeber, wird das Projekt verwirklicht.
Als Garagenbetrieb gründen Robert Letsch und Frank Noack 2002 ihre Firma forHeads-network. Wenig später startet der erste Onlineshop Spiele-Offensive.de. Weitere wie Puzzle-Offensive.de oder Perfekte-Bilderrahmen.de gehen danach fast im Jahresrhythmus an den Start.
2012 wird forHeads-network zu Happyshops. Am Unternehmenssitz im Norden Merseburgers kümmern sich heute 20 Mitarbeiter, unter anderem um die zwanzig Onlineshops. Allein für die Spiele-Offensive müssen sie jährlich 700.000 und 900.000 Spiele verschicken.
7.400 Titel listet die Spiele-Offensive aktuell in ihrem Sortiment. Die Zahl der Spiele auf dem Markt wächst stark. Vor 15 Jahren konnten die Merseburger mit 2.500 Titeln im Sortiment noch das gesamte Angebot abdecken.
Die Spieleschmiede, eine Crowdfunding-Plattform, ist ein weiteres Standbein des Unternehmens. 1,4 Millionen Euro wurden dort bisher für 120 Projekte eingeworben. Mit dem „Spielernetzwerk“ gibt es zudem eine Community.
Spieleverlag in Merseburg gegründet: Eigenproduktion „Half-Pint-Hero“ ist der Renner
Zum Renner habe sich hier die erste echte Eigenproduktion entwickelt, erzählt Noack, das eingangs beschriebene „Half-Pint-Hero“, für das mehr als 750 Kunden in Vorkasse gegangen seien. Die Grundidee für das auf Pokerregeln basierende Stichkartenspiel stammt zwar von Autoren aus dem Taunus.
Die Entwicklung des Layouts und finalen Spieleprinzips ist jedoch in Merseburg erfolgt. „Als Redakteur guckt man sich den Spielemechanismus an, schaut, wo klemmt es, was frustriert noch und versucht, das abzustellen“, erklärt Noack die Arbeit der Chefs und ihres dreiköpfigen Teams - bis das Spiel in die Produktion geht.
Bei „Half-Pint-Heros“ ist es nun soweit. Nach längerer Suche habe man eine Firma in China gefunden, die die benötigten Pokerchips herstellen kann, sagt Noack. Im Sommer soll das Spiel dann erscheinen. Vertriebsprobleme dürften Letsch und Noack wohl nicht haben. (mz)