1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Merseburg
  6. >
  7. "Richtiger Abschied ist wichtig": Schmetterlingskinder: Eltern in Merseburg gedenken verstorbener Kinder

"Richtiger Abschied ist wichtig" Schmetterlingskinder: Eltern in Merseburg gedenken verstorbener Kinder

Von Robert Briest 01.04.2017, 07:00
Ein Stern zur Erinnerung an ein verstorbenes Kind hängt an einem Baum.
Ein Stern zur Erinnerung an ein verstorbenes Kind hängt an einem Baum. dpa

Merseburg - Nicht jede Geburt verläuft positiv. Immer wieder kommt es auch in späteren Schwangerschaftsstadien zu Fehlgeburten. Für viele Mütter ein Grund zu trauern. Die Merseburger Klinikseelsorgerin Angelika Rudnik lädt deshalb Betroffene am Samstag zu einem „Andenken“ mit anschließender Gesprächsrunde ein. Im Interview mit Robert Briest erklärt sie, was dies bringen soll und wie Mütter mit dem Verlust umgehen.

Was sind denn Schmetterlingskinder?

Rudnik: Das ist ein Begriff für Fehlgeburten - für Föten, die im Mutterleib mit einem Gewicht von unter 500 Gramm sterben. Die waren bis vor kurzem nicht bestattungspflichtig. Es gibt aber seit einigen Jahren die Möglichkeit, dass Kliniken und Seelsorger diese gemeinschaftlich bestatten. Und das machen wir hier in Merseburg auch seit 2011.

Wie läuft das ab?

Rudnik: Es gibt eine Grabstelle auf dem Stadtfriedhof. Die Kindlein werden zunächst in der Pathologie gesammelt und dann zwei Mal im Jahr beigesetzt. Es gibt eine kleine Trauerfeier, zu der die Eltern eingeladen werden, und dann werden die Kinder gemeinsam in einem Sarg beerdigt.

Ihre Veranstaltung am Samstag richtet sich an Mütter, die vor 2011 ihre Fehlgeburt hatten. Warum?

Rudnik: Seit dem unsere Beerdigungen bekannt sind, kommen immer wieder Frauen zu mir, die sagen: „So was hätten wir früher auch gebraucht. Wir konnten gar nicht richtig trauern.“ Mit der Veranstaltung will ich nun gucken, ob überhaupt Interesse besteht, darüber zu reden, was einem früher widerfahren ist.

Ich höre oft in Gesprächen, dass solche Erinnerungen erst viel später wieder hoch kommen. Deshalb sind vor allem auch Frauen zwischen 40 und 60 Jahren eingeladen.

Wie groß ist denn die Bindung der Eltern an das nichtgeboren Kind?

Rudnik: Unterschiedlich. In den ersten Schwangerschaftswochen, in denen Fehlgeburten recht häufig sind – man geht da von bis zu 30 Prozent aus –, ist die Bindung oft noch nicht so groß.

Ich habe aber auch Frauen erlebt, die fanden es da schon schlimm und haben getrauert. In der 15. bis 17. Woche, wo eigentlich das Gröbste überstanden ist, ist Bindung groß, die Eltern kennen ja die Ultraschallbilder. Auch hormonell baut sich bei den Frauen schon eine Bindung auf. Das dauert, bis sich das wieder umstellt. Dafür ist es sinnvoll, einen richtigen Abschied zu haben. Da findet ein Trauerprozess statt.

Wenn Eltern ihre geborenen Kinder verlieren, ist das oft ein sehr harter Schlag. Ist der Trauerprozess für ungeborene Kinder vergleichbar?

Rudnik: Nein. Das unterscheidet sich in der Intensität und der Dauer. Bei geborenen Kindern hält die Trauer ja teilweise ein Leben lang an. Hier kommen die Frauen vielleicht ein, zwei Jahre noch zum Grab, aber dann ist die Trauerarbeit zu großen Teilen abgeschlossen. (mz)

Am Samstag, 1. April, besteht an der Grabstelle für sogenannte stillgeborene Kinder für Betroffene und Interessierte die Gelegenheit für Gespräche. Dazu lädt Seelsorgerin Angelika Rudnik ab 14 Uhr unter dem Titel „Schmetterlingskind - meine alte Trauer“  zu einem gemeinsamen Gedenken ein. Veranstaltungsort ist der Stadtfriedhof Merseburg, II. Feld, mehr Informationen  unter Telefon 03461/27 13 22.

Angelika Rudnik
Angelika Rudnik
Klinik