Saalekreis Saalekreis: Steine für die Konfirmanden
SCHLADEBACH/MZ. - Am Sonntag klickten beim und nach dem Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Schladebach die Fotoapparate. Elf Frauen und Männer, die 1943 oder 1944 aus der Schule gekommen waren, feierten ihre steinerne Konfirmation. Ein seltenes Jubiläum, wie auch Pfarrer Andreas Trelenberg betonte. Die Kirche war gut gefüllt, neben Gemeindemitgliedern saßen etliche Angehörige der Jubelkonfirmanden in den Bankreihen.
Schon bei der Begrüßung gab es herzliche Umarmungen und strahlende Augen. "Lange nicht gesehen!", hieß es immer wieder. Während zum Beispiel Horst Pille und Erwin Gürtzsch (beide 82) noch im Ort wohnen, war Kurt Kleine aus Thale angereist. Liane Koppmann kam von Leipzig herüber, Ursula Graneist und Erika Schöfl aus Leuna und Norma Weber aus Markranstädt. Alle hatten sich schmuck angezogen, das wird man hinterher auf den Fotos sehen.
Von der Feier am 4. April 1943 gibt es leider kein gemeinsames Gruppenfoto. "Da war Krieg", sagt Helmut Martinsohn. "Da war kein Fotograf da, es gab andere Sorgen." Der 82-Jährige, der in dem Dorf aufgewachsen ist und heute noch mit seiner Frau in seinem Elternhaus wohnt, hält seit Jahrzehnten die Erinnerungen an Schulzeit und Konfirmation hoch. "25 Jahre nach der Schulentlassung war unser erstes Treffen", erzählt er. Dem folgten acht weitere und nun hat er sich mit der gleichen Akribie und Sorgfalt um das steinerne Jubiläum gekümmert: Einladungen geschrieben, sich für jeden eine Überraschung ausgedacht, den Raum in der Gastwirtschaft bestellt und mit dem Pfarrer die feierliche Zeremonie abgesprochen.
Diesmal ging es nämlich nicht nur um das Jubiläum. Martinsohn, der sich intensiv mit der Ortsgeschichte beschäftigt, wollte eine Sache zu Ende bringen, die ihm seit langem am Herzen liegt: Die Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs aus Schladebach und Witzschersdorf festzuhalten.
So gestaltete er drei große Tafeln, auf denen die Namen der 56 zu Tode Gekommenen stehen. Sowohl die der Gefallenen aus den beiden Dörfern, aber auch die der Heimatvertriebenen, die im Ort Obdach gefunden hatten. Und auch die Liste derjenigen, die noch im April 1945 durch eine Luftmine starben. Erinnern will er ebenfalls an die Opfer der stalinistischen Verfolgung. Die Namen aller dieser Toten habe er gleich nach Kriegsende notiert, schilderte Helmut Martinsohn in der Kirche. Seit Jahren liege ihm am Herzen, würdevoll an sie zu erinnern. Ehe er die Augen schließe, wolle er diese selbst auferlegte Aufgabe erfüllen. "Ich möchte das heute in Ehren zu Ende bringen, sagte er. Dann legte der grauhaarige Schladebacher einen Kranz vor die Tafeln.
Beim anschließenden Beisammensein gab es viel zu erzählen. Fotos drehten die Runde und über so manche frühere Streiche wurde gelacht. Zur Erinnerung an den Tag hatte sich der rührige Organisator übrigens etwas Besonderes einfallen lassen: Jeder bekam einen "Stein am Bande" - als Symbol für das Wiedersehen anlässlich der steinernen Konfirmation.