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Saalekreis Saalekreis: Mehr als nur Machtobjekte

Von JAKOB MASCHKE 18.05.2011, 18:56

MERSEBURG/Halle (Saale)/MZ. - Ulrich Reimkasten ist ein optimistischer Mensch. "Die Textilkunst hat auf jeden Fall eine Zukunft. Der Mensch sehnt sich seit jeher nach Geborgenheit, und Räume, die mit Bildteppichen bekleidet sind, strahlen diese Geborgenheit aus", so der Künstler und Hochschulprofessor. Doch nicht jeder kann sich das leisten. Die Fertigung eines Quadratmeters Gobelin - das sind die hochwertigsten Wandteppiche - kostet etwa 10 000 Euro. Zudem würden die aufwendigen Bildwirkereien laut Reimkasten leider häufig darauf reduziert, dass sie von den Nationalsozialisten zur Machtdemonstration vereinnahmt wurden. In der Folge verlor diese Kunstform hierzulande - im Gegensatz zu ihrem internationalen Stellenwert - zusehends an Bedeutung.

Ab Donnerstag soll sich das ändern: Dann werden in der Merseburger Willi-Sitte-Galerie 32 überwiegend großformatige Bildwirkereien gezeigt, die zwischen 1957 und 2007 von Lehrenden, Absolventen und Studierenden der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle entworfen und zu einem Großteil in der Staatlichen Textil- und Gobelinmanufaktur Halle gefertigt wurden - unter anderem auch vom Namensgeber der Galerie. "Willi Sitte ist es zu verdanken, dass sich die Textilkunst in Halle überhaupt etabliert hat, denn er gründete 1953 eine Klasse für Hochweberei an der Hochschule und prägte damit auch entscheidend den Aufbau der Textil- und Gobelinmanufaktur", blickt Ulrich Reimkasten zurück.

Sowohl die Hochschulklasse - heute als Studiengang Malerei / Textil - als auch die Manufaktur sind bundesweit einzigartig. "Deshalb haben wir die Ausstellung auch 'Der Hallesche Bildteppich' genannt", erzählt Kurator Björn Raupach: "Herr Reimkasten und ich vom Institut für Textile Künste hatten fast zeitgleich mit der Willi-Sitte-Stiftung für Realistische Kunst die Idee, die Lagerbestände der an der Hochschule entstandenen Werken zu ergründen." Daraus sei diese gemeinsame Ausstellung entstanden - und die Galerie sei aufgrund der entscheidenden Rolle Willi Sittes der ideale Ort dafür. Ulrich Reimkasten will damit "nicht nur die Historie dieser Kunstrichtung erklären, sondern vor allem die gegenwärtige Textilkunst unterstützen, die in anderen Ländern bereits im Aufschwung ist."

Soo Youn Kim möchte von diesem Aufschwung profitieren. Die 32-jährige Südkoreanerin studiert derzeit wie etwa 40 andere Malerei / Textil an der Burg. "Malerei und Textilkunst sind eine ganz besondere und sehr seltene Kombination. Die Mischung aus Kreativität und Handwerk ist für mich das Interessante", so die Studentin, die später gern in ihre Heimat zurückkehren möchte, um dort Textilkunst an einer Hochschule zu lehren.

So lange es Kunstschaffende wie Kim gibt, kann Reimkasten zumindest hoffen, dass sich seine Prophezeiung nicht bewahrheitet - und er als einziger Professor für textile Künste in Deutschland nicht gleichzeitig auch der letzte ist.

Die Ausstellung "Der Hallesche Bildteppich" wird Donnerstag um 18 Uhr eröffnet.