Rentenerhöhung ab 1. Juli Rentenerhöhung ab 1. Juli: Warum viele Menschen im Saalekreis verunsichert sind

Merseburg - Die gute Nachricht zuerst: Ab 1. Juli sollen auch die Rentner im Saalekreis 5,95 Prozent mehr bekommen. Das Problem ist nur, dass viele Rentner dadurch womöglich so viel Geld beziehen, dass sie verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben. Michael Bertram hat mit Sachgebietsleiter Holger Gilbricht vom Finanzamt Merseburg über die Tücken gesprochen.
Warum müssen Rentner überhaupt eine Steuererklärung abgeben?
Holger Gilbricht: Das Bundesverfassungsgericht stellte 2002 fest, dass Pensionäre anders besteuert werden als alle übrigen Rentner. Die Richter sahen darin eine gesetzliche Ungleichbehandlung, die nicht mehr hinzunehmen war und bis 2040 nun schrittweise ausgeglichen wird. Das gilt für Personen, die bereits eine Rente beziehen als auch für Personen, die noch voll im Arbeitsleben stehen. 2005 wurde begonnen, die Rente höher zu besteuern, und zwar zu 50 Prozent. In jährlichen Zwei-Prozent-Schritten wird der Besteuerungsanteil bis 2020 auf 80 Prozent angehoben. Für den Renteneintritt in diesem Jahr beträgt der Anteil somit 72 Prozent. 100 Prozent werden dann im Jahr 2040 besteuert.
Wann konkret ist die Steuererklärung fällig?
Gilbricht: Als Rentner muss eine Steuererklärung abgegeben werden, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte über dem Grundfreibetrag liegt. Der Gesamtbetrag berechnet sich aus der anteiligen Rente zuzüglich weiterer Einkünfte, soweit vorhanden. Der Grundfreibetrag beträgt für 2016 aktuell 8 652, für Ehepaare 17 304 Euro. Wer eine Altersrente und noch eine Witwenrente erhält, der kann davon ausgehen, dass er den Freibetrag übersteigt. Was zählt, ist aber immer der im Rentenbescheid ausgewiesene Brutto-Rentenbetrag. So kann zwar durchaus eine Abgabepflicht bestehen, aber durch den Abzug von Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen die Steuer bei 0 Euro liegen.
Welche Sonderausgaben sind das zum Beispiel?
Gilbricht: Bei Pflichtversicherten ist das zum Beispiel der Eigenanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung. Auch Pflege- oder Behandlungskosten zählen dazu oder Kosten für die Putzhilfe oder den Handwerker.
Welche Rente ist steuerfrei?
Gilbricht: Dazu zählt die Unfallrente etwa, die Kriegs- und Versehrtenrente oder auch die SED-Opferrente.
Fordert das Finanzamt zur Steuererklärung auf?
Gilbricht: Nein, grundsätzlich erfolgt keine Aufforderung. Jeder muss selbst prüfen, ob eine Abgabeverpflichtung besteht oder eben nicht. Unwissenheit lassen die Finanzbehörden als Ausrede nicht gelten. Ich rate deshalb jedem dazu, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Zumal bei Rückständen die Verzinsung mit sechs Prozent richtig kostspielig werden kann.
Wenn jemand bis Juni arbeitet und dann Rentner wird: Muss der eine Steuererklärung einreichen?
Gilbricht: Der muss auf alle Fälle eine Erklärung abgeben, da ja die Renteneinkünfte bisher nicht dem Lohnsteuerabzug unterlegen haben und es durch die Zusammenführung von Lohn und Rente zu einer Besteuerung kommen kann.
Wie verhält es sich mit der Steuer von Rentnern aus dem Pflegeheim, die vielleicht gar nicht mehr in der Lage sind, die zugegeben komplizierten Formulare auszufüllen?
Gilbricht: Auch bei Rentnern in Pflegeheimen gelten die gleichen Grundsätze. Wer dazu nicht mehr in der Lage ist, muss sich durch Angehörige, Vormundschaftspfleger oder durch Steuerberater oder Lohnsteuerhilfevereine helfen lassen. Eine generelle Befreiung gibt es eben nicht.
Und bei Lebensgemeinschaften, wie sieht es mit denen aus?
Gilbricht: Gleichgeschlechtliche Paare werden steuertechnisch gesehen den Eheleuten gleichgestellt. Ein urkundlicher Nachweis der Lebenspartnerschaft ist hierbei jedoch zu erbringen. Bei allen anderen Lebenspartnerschaften erfolgt die Besteuerung für jeden einzelnen nach den jeweiligen Besteuerungsmerkmalen.
Wie sieht es bei der Erbschaftssteuer aus, ist die anzugeben?
Gilbricht: Die Erbschaftssteuer ist eine separate Steuerart und wird im Todesfall vom Finanzamt Staßfurt erhoben. Sie hat keine Auswirkung oder Einfluss auf die Rentenbesteuerung, welche ja nach dem Einkommenssteuergesetz erhoben wird.
Gibt es denn viele Fragen von verunsicherten Rentnern zum Thema Steuererklärung?
Gilbricht: In der Tat kommen zu den Sprechzeiten sehr viele Rentner in das Finanzamt. Darüber hinaus erfolgen häufig telefonische beziehungsweise schriftliche Anfragen zur Besteuerung. Vor allem Neurentner sind unsicher. Persönlich sprechen am Tag etwa zehn Rentner persönlich vor, rund 200 jeden Monat zudem am Telefon.
Welche Fragen sind denn oftmals unklar?
Gilbricht: Sehr häufig besteht Unklarheit, ob die jeweilige Rente der Besteuerung unterliegt. Auch stellen sich viele die Frage, ob die Rente vielleicht steuerfrei ist oder welche Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden können. Das Finanzamt kann hier jedoch nur eine kleine Hilfestellung geben, da eine steuerliche Beratung nicht dessen Aufgabe ist, sondern ausschließlich den Steuerberatern oder Lohnsteuerhilfevereinen obliegt. (mz)