Psychologe erklärt Psychologe erklärt: So ticken Menschen die ganz bewusst Brände legen

Merseburg - Ständig brennende Mülltonnen in Merseburg, angezündete Gartenlauben nicht nur in Braunsbedra - und immer wieder die Frage: Wer tut so etwas? Gibt es den klassischen Brandstifter? „Nein“, sagt Steffen Dauer, Rechtspsychologe in Halle.
Die Motivlage ist ebenso breit gefächert wie das Täterprofil. Wenn wie in Leipzig eine Reihe von Bundeswehrfahrzeugen brennt, liegt das politische Ziel klar auf der Hand. Auch gibt es Menschen, die Versicherungsbetrug begehen oder mit Feuer vorhergehende Straftaten verdecken wollen. Oft müsse aber der Einzelfall genau betrachtet werden, sagt Dauer. „Man kann da nicht pauschalisieren.“ Auch die alte Weisheit „Kriminalität ist jung und männlich“ stimme so nicht mehr. Täter gebe es über beide Geschlechter und aus unterschiedlichster Herkunft.
Manche Menschen legen Brände, weil sie um Aufmerksamkeit bemüht sind, sich vielleicht bei Entdeckung oder Bekämpfung hervortun wollen. Es gebe aber auch Brandstifter, die psychisch gestört sind und keine Möglichkeit finden, sich anders auszudrücken - zum Beispiel, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen oder die Gesellschaft für etwas verantwortlich machen. „Sie glauben Entspannung zu finden und ruhig zu werden.“ Und es gibt Fälle, in denen Täter einfach zerstören wollten oder später sagen: Wir hatten Langeweile.
Ein Mülltonnenbrand kann je nach Standort verheerende Folgen haben, weiß auch Dauer - wie am Wochenende in Merseburg, wo elf Menschen verletzt wurden. Darüber würden sich die Täter in der Regel aber keine Gedanken machen. „Sie schätzen das nicht ab. Die meisten bewussten Brandlegungen geraten außer Kontrolle.“
So war es, berichtet der Experte, auch bei einem Täter, der im Hausflur die Kokosmatte vor der Tür einer Frau anzündete und glaubte, die brenne doch nicht lange. Plötzlich stand aber die Tür in Flammen, der Fluchtweg war versperrt. Bei dem Mann hatten psychische Probleme und Verärgerung über die Frau als Motiv eine Rolle gespielt. Wie schnell ein Feuer außer Kontrolle gerät, hat sich vor Jahren auch in Halle gezeigt, als Kinder kokelten und plötzlich ein ganzer Supermarkt abbrannte. „Das hatten die nie vor“, so Dauer.
Dass Feuerwehrmänner selbst zündeln, komme zwar vor - allerdings nicht so häufig, wie man glaubt, sagt der Rechtspsychologe. „Es kommt uns nur besonders vor, wie der Arzt, der tötet, oder der Lehrer, der Kinder missbraucht.“ Auch hier seien die Motive sehr unterschiedlich. Der eine will sich bei der Brandbekämpfung hervortun, ein anderer hat etwa gezündelt, weil er mit dem Trainingszustand der Kameraden unzufrieden war. (mz)
