Wegen Antisemitismus vor Gericht „Druide“ in Merseburg droht Haftstrafe
Beleidigungen, Gewaltfantasien und Aufrufe zu Straftaten: Ein selbsternannter Druide soll im Netz seinem Antisemitismus freien Lauf gelassen haben. Auch Gewalt gegen Politiker, Juristen und Journalisten soll der Vorbestrafte gefordert haben. Nun droht ihm eine Haftstrafe.
Merseburg/Schmon/MZ. - Der Staatsanwalt könne zur Verlesung ruhig sitzen bleiben, bietet der Richter an. Doch der Vertreter der Anklage wählt den traditionellen Weg: 25 Minuten liest er stehend vor, was er dem älteren Herrn im dunkelroten Pullover mit schulterlangem, weißem Haar und farblich passendem Rauschebart auf der Anklagebank des Amtsgerichtes Merseburg vorhält.
43 Taten, vorwiegend Volksverhetzung, darunter Leugnung von NS-Verbrechen, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Billigung von und der Aufruf zu Straftaten.
Passend zum Thema: „Druide“ aus Querfurt vor Gericht: Antisemit mit Rauschebart
Der Angeklagte ist ein bekannter Antisemit und Angehöriger der rechtsextremen Prepperszene. Bekanntheit erlangte er als selbst ernannter Druide unter dem Namen „Burgos von Buchonia“.
Bekannter Antisemit in Merseburg war im sozialen Netzwerk unterwegs
Unter diesem und anderen Pseudonymen war der 73-Jährige, der bis zu seiner Inhaftierung im Herbst in Schmon im Saalekreis lebte, nach Ansicht der Staatsanwaltschaft im sozialen Netzwerk vk.com unterwegs – einem bei Rechten beliebten russischen Pendant zu Facebook.
Hier soll er laut Anklage zwischen 2019 und 2023 vor allem seinem Hass auf Juden freien Lauf gelassen haben. Der Staatsanwalt zitiert Einträge, in denen Angehörige der Religion etwa als „Kinderfresser“ bezeichnet wurden.
Das könnte Sie auch interessieren: Morddrohung gegen Jobcenter-Mitarbeiterin in Merseburg
In einem Fall hieß es: „Wenn man 18 Millionen Juden beseitigt, könnten sieben Milliarden Menschen frei leben.“ An anderer Stelle habe er geschrieben: Sie, die Juden, müssten vernichtet werden. Mehrere Posts, die die Anklage zitiert, leugnen die Shoah.
Gleiches gelte für Hefte, die der Angeklagte zusammengestellt und zum Verkauf im Internet angeboten habe.
Selbst ernannter "Druide" aus Merseburg hat zu Gewalt gegen Politiker, Journalisten und Juristen aufgerufen
Doch auch andere Gruppen waren laut Staatsanwaltschaft Ziel der Hasskommentare des selbsternannten Druiden.
So soll dieser etwa nach dem rechtsextremistischen Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke geschrieben haben: „Das wird kein Einzelfall bleiben, ab jetzt werden alle Deutschfeinde getötet.“
In anderen zitierten Kommentaren auf vk.com fordert der Verfasser etwa, dass alle Medienschaffenden eingefangen und bis zur Aburteilung eingesperrt werden. Juristen sollten gehängt werden.
Lesen Sie auch: Mordprozess gegen 17-Jährigen in Merseburg: Warum sich das Urteil verzögert
Auch Politikern wird der Tod am Strick gewünscht. In einem Post heißt es: „Leute kauft Äxte, bevor die Baumärkte zumachen. Es gibt viele Schädel zu spalten.“
"Druide" habe Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verwendet
Der Vorwurf der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen stützt sich auf ein Bild Adolf Hitlers, das der Angeklagte geteilt und wohlwollend kommentiert haben soll.
Der Verteidiger des „Druiden“ spielt zum Prozessauftakt auf Zeit. Erst zweifelt er die Zuständigkeit des Amtsgerichts in einem Anklagepunkt (erfolglos) an, dann erwirkt er eine Pause, um die in der Anklage aufgeführten Hefte zu studieren, und bittet schließlich um ein Rechtsgespräch.
73-Jähriger verübte Taten während Bewährungszeit
In dem dürften die Vorstrafen des 73-Jährigen eine Rolle spielen. Er hatte 2017 für Schlagzeilen gesorgt, als er in Baden-Württemberg verhaftet wurde und ihm die Generalbundesanwaltschaft mit weiteren Verdächtigen die Bildung einer terroristischen Vereinigung zur Last legte.
Der Vorwurf wurde später fallen gelassen. Der „Druide“ erhielt allerdings eine Bewährungsstrafe wegen Holocaustleugnung, Volksverhetzung und illegalen Waffenbesitzes. Bei einer Durchsuchung hatten Polizisten etwa Schusswaffen und einen Flammenwerfer gefunden.
Die Bewährungszeit lief noch als Beamte im vergangenen Spätsommer sein Grundstück in Schmon durchsuchten.
Dort fanden sie unter anderem mehrere Dutzend Propangasflaschen sowie eine zur Schusswaffe umgebaute Mausefalle. Die damaligen Funde sind im aktuellen Prozess noch nicht angeklagt.
Geständnis vom Merseburger Antisemit ohne Reue
In dem droht dem „Druiden“ allerdings auch so eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren. Das ist das Ergebnis des fast zweistündigen Rechtsgesprächs zwischen Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger.
Die ältere Hälfte der angeklagten Taten, die sich vor dem Mannheimer Urteil im Februar 2022 ereignet hatten, würden im aktuellen Verfahren nicht weiterverfolgt, für die übrigen würde das Schöffengericht in Merseburg maximal zwei Jahre und drei Monate zusätzlich zu der bestehenden Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängen.
Voraussetzung: ein Geständnis. Das legt der „Druide“ in äußerst kurzer Form via Anwalt ab. Der räumt lediglich die Taten laut Anklage ein. Eine Begründung, ein Motiv oder Hinweise auf ein schlechtes Gewissen gibt es nicht.
Der Verteidiger erklärt allerdings, dass sein Mandat bei allen Taten betrunken gewesen sei. Er regt deshalb an, dass das Gericht einen Gutachter bestellt, der die Schuldfähigkeit des 73-Jährigen klären soll und die Frage, ob er statt in einem Gefängnis im Maßregelvollzug untergebracht werden soll.