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Reise ins unterirdische Merseburg Nach mehr als 70 Jahren: Blick in Merseburgs Gewölbekeller

Zwei Merseburgerinnen kehren in das Haus zurück, in dem sie als Kinder gelebt haben. Uwe Gottschalk, der das Haus sanieren lässt, zeigt ihnen vor allem die alten Gewölbekeller.

Von Undine Freyberg 13.12.2024, 08:59
Uwe Gottschalk (M.) zeigte Barbara Zimmermann und Edith Stolp die Gewölbekeller, wie sie heute aussehen. Edith Stolp hatte für den Besuch einen alten Plan der Kelleranlagen dabei.
Uwe Gottschalk (M.) zeigte Barbara Zimmermann und Edith Stolp die Gewölbekeller, wie sie heute aussehen. Edith Stolp hatte für den Besuch einen alten Plan der Kelleranlagen dabei. Fotos: Undine Freyberg

Merseburg/MZ. - „Na, ich hoffe, die Stadt verleiht dem Mann einen Orden“, sagt Barbara Zimmermann ganz begeistert. „Was er hier geschafft hat, ist unglaublich.“ Der Mann, von dem sie spricht, ist Uwe Gottschalk. Der 63-Jährige sorgt gerade dafür, dass zwei Häuser mit historischen Gewölbekellern nicht mehr als Schandflecke in der Innenstadt herumstehen. Vor Jahren war von rund vier Millionen Euro Investitionssumme die Rede. „Mittlerweile sind wir aber bei sieben oder sogar 7,5 Millionen“, sagt Gottschalk gegenüber der MZ.

Als Kinder in der Domstraße gelebt

Kurz bevor die Domstraße 1 und 3 nach Jahren des Verlassenseins fertiggestellt werden und wieder vermietet werden können, hatte Gottschalk eine kleine Gruppe von Merseburgern eingeladen, mit ihm in die viele Meter unter der Erde liegenden Keller der Domstraße 3 hinabzusteigen. Für Edith Stolp (86) und Barbara Zimmermann (83) eine Reise in ihre Kindheit, denn sie haben als Kinder mit ihren Familien in dem Haus gelebt. Barbara Zimmermann von 1946 bis 1956 und Edith Stolp von 1943 bis 1952.

Angst vor der Falltür

Damals ging’s mit Kerzen runter in die Keller. „Ich immer zusammen mit meiner Schwester“, erzählt Zimmermann. „Hier lagen die Einkellerungskartoffeln – schön abgetrennt nach Müller, Meier, Schulze. Aber dazu musste man erstmal durch die Falltür. Und vor der hatten wir ganz schön Angst – dass die vielleicht mal zufällt und wir nicht mehr rauskommen.“

Ein Teil der Keller reicht bis unter die Grüne Straße, ein anderer bis an die Domstraße. Die Keller, in denen sich Edith Stolp als Kind bei Fliegeralarm und zwei Bombenangriffen auf die Stadt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in Sicherheit gebracht und auf die Entwarnung gewartet hatte, sind heute elektrisch beleuchtet. Hier wird es demnächst Kellerabteile geben, die zu den einzelnen Wohnungen gehören. Aber auch die Mülltonnen werden hier im Untergrund verschwinden.

Tierische Untermieter

„Woher haben Sie die Nerven genommen, sich so etwas ans Bein zu binden“, fragt Horst Fischer, der frühere Vorsitzende des Altstadtvereins, voller Bewunderung. „Ich habe nicht darüber nachgedacht“, schmunzelt Uwe Gottschalk, der eigentlich Chemiker ist – aber mit einer großen Passion für alte Gemäuer.

Blick in die Keller in der Domstraße
Blick in die Keller in der Domstraße
Undine Freyberg

„Hier kommen die Fledermäuse rein“, sagt Gottschalk plötzlich und zeigt auf eine Öffnung in der Mauer in etwa 1,80 bis zwei Meter Höhe. Das Umweltamt interessiere sich sehr für die Gewölbekeller. „Und wir haben auch die entsprechenden Auflagen, das für die Tiere zugänglich zu halten – damit sie rein und raus kommen. Ich habe hier auch schon Fledermäuse gesehen.“ Durch die Öffnungen würden die Keller auch gut belüftet. Was viele nicht wüssten: „Die Keller sind mit den Häusern darüber gar nicht verbunden. Über den Gewölben liegen ungefähr drei Meter Erde, und erst darüber kommt das Haus.“ Das habe die ganze Sanierung zwar viel komplizierter gemacht. „Aber die wussten damals schon, was sie tun.“

Berühmter Bewohner

Die Domstraße 3, die früher die Nummer 2 trug, hatte bis Ende des 19. Jahrhunderts einen berühmten Bewohner, nämlich den Astronomen und Geologen Ernst von Rebeur-Paschwitz (1861-1895), den Vater der modernen Seismologie. Er war der erste, dem es gelungen ist, mit einem sogenannten Horizontal-Pendel ein Fernerdbeben in Japan im Jahr 1889 zu registrieren. Rebeur-Paschwitz, der am 6. Juni 1881 seinen Wohnsitz bei seinen Eltern in Merseburg anmeldete, war so bedeutend für die Wissenschaft, dass die Deutsche Geophysikalische Gesellschaft im Jahr 2003 sogar beschloss, künftig einen Rebeur-Paschwitz-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen zu vergeben.

Rebeur-Paschwitz veröffentlichte schon 1895 seine Idee von einem internationalen System von Erdbeben-Messstationen, die über den ganzen Erdball verteilt sein sollten. Rebeur-Paschwitz starb am 1. Oktober 1895 in Merseburg und wurde auf dem Stadtfriedhof beigesetzt. Sein Grab soll noch bis Anfang der 1930er Jahre existiert haben.