Mit Zinnsoldat und Entlein
Merseburg/MZ. - Einige Flöckchen konnte Frau Holle herbeischütteln, doch viel mehr wurde es aufgrund mangelnder Schneewolken nicht.
Während also Frau Holle meist ziemlich am Ende der etwa 50-köpfigen Rundgangsschar zu finden war, schritten weiter vorn andere Märchengestalten einschließlich ihres Schöpfers Hans Christian Andersen wacker einher. Sie hatten denjenigen, die Wind und Kälte nicht gescheut hatten, viel Märchenhaftes, aber auch viel Wissenswertes zur Stadt und ihrer Geschichte zu erzählen.
Am Schloss hatte sich der Zug, angeführt von Stadtwächtern hauptsächlich in Gestalt von Schulkindern, in Bewegung gesetzt. Lieselotte Witte, die als Fliedermütterchen kam - was am Hut deutlich zu erkennen war - führte die Wissbegierigen zu diesem letzten thematischen Stadtrundgang des Jahres. Es ging durch den Schlossgarten und den Skulpturenpark zum Neumarkt, der Gotthardstraße, am Bahnhof vorbei und schließlich zur Katholischen Kirche St. Norbert, wo der Rundgang mit Worten von Pfarrer Dietrich Letzner und weihnachtlicher Orgelmusik ausklang.
Unterwegs wurde mehrfach innegehalten, Märchenfiguren kamen zu Wort. Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen erzählte ebenso seine Geschichte wie der standhafte Zinnsoldat und auch die des hässlichen jungen Entleins wurde zu Gehör gebracht. Lediglich die Königin, die die Herkunft ihrer künftigen Schwiegertochter mittels einer Erbse hatte ergründen wollen, wandte sich nicht so sehr ihrer, sondern gemeinsam mit dem Fliedermütterchen mehr der Historie der Stadt zu.
So war im Blick auf das Areal am Tiefen Keller zu erfahren, dass die Kelleranlagen 1451 erstmals erwähnt und 1510 zu städtischen Bierkellern ausgebaut wurden. Und dass es 1812 in der Stadt 279 Brauberechtigte und 424 verschiedene Rezepturen zum Bierbrauen gab. Am Bahnhof konnte man lernen, dass 1846 mit der Eröffnung der Bahnlinie Halle-Weißenfels zunächst ein Bahnhof "weit vor der Stadt" etabliert wurde - wegen der möglichen Gefahr durch die "Dampfrösser". Und auch, dass 1927 immerhin noch sieben Fernzüge in Merseburg hielten. Im Gegensatz zu heute - "da hält keiner mehr", wie die Schwiegermutter der Prinzessin auf der Erbse bedauernd konstatieren musste.
Am Ende waren alle Stadtrundgänger wohl ziemlich durchgefroren, aber auch recht zufrieden. So wie die zehnjährige Anja Wrobel, die mit ihrer Tante Reinhilde Wrobel gekommen war. Auf die Frage, ob es ihr gefallen hat und was am Schönsten war sagte sie nach kurzem Überlegen: "Ja, es hat mir gut gefallen. Aber am schönsten war nichts - alles war schön."