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Werner Wolff gestorben Merseburg trauert um Werner Wolff das "Gedächtnis der Stadt" - Wen soll man jetzt fragen?

Von Undine Freyberg 10.12.2020, 14:20
Werner Wolff würde jetzt über die Leute schmunzeln, die versuchen herauszufinden, was diese Worte in Merseburger Mundart bedeuten könnten.
Werner Wolff würde jetzt über die Leute schmunzeln, die versuchen herauszufinden, was diese Worte in Merseburger Mundart bedeuten könnten. Peter Wölk

Merseburg - Ich sehe ihn noch, wie er mit seinem Rad durch die Innenstadt gefahren ist. Immer ein Lächeln auf den Lippen, und wenn er Zeit für einen Plausch hatte, fiel immer noch ein fröhlicher Spruch ab. Eine Frage zur Stadtgeschichte?

Es gab kaum welche, die Werner Wolff nicht beantworten konnte. Und wusste er mal doch etwas nicht, lautete die Antwort: „Ich sehe nach, ich rufe Sie an.“ Und man wusste, dass er vermutlich auf eine der unzähligen Karteikarten in seinem schier unerschöpflichen Archiv schauen würde, um zu helfen. Es wird keine hilfreichen Anrufe mehr geben, denn der Heimatforscher Werner Wolff ist am 4. Dezember mit 78 Jahren verstorben. Das Gedächtnis der Stadt Merseburg gibt es nicht mehr.

Werner Wolff: Nachricht vom Tod des Heimatforschers macht betroffen

Diese Nachricht hat viele erschüttert und traurig gemacht. Auch Horst Fischer, den früheren Vorsitzenden des Merseburger Altstadtvereins. „Werner Wolff gehörte 1991 zu den sieben Gründungsmitgliedern des Vereins, und in den ersten beiden Jahrzehnten hat er mit seinen Vorträgen nicht nur den Verein bekannt gemacht, sondern auch das Interesse der Merseburger für die Geschichte ihrer Stadt geweckt“, erzählt Fischer.

Egal, ob Gotthardstraße oder Merseburger Babeleien - „Werner Wolff wusste über alles Bescheid.“ Legendär sei sein Vortrag im Jahr 2004 über das im Krieg zerstörte Merseburg gewesen. „Es kamen so viele Leute in die Stadtbibliothek, dass 15 Minuten vor Beginn die Türen geschlossen werden mussten“, erinnert sich Fischer. Unter den Ausgesperrten sei auch der damalige Chef des Radisson-Hotels, Dirk Höft, gewesen. Der habe daraufhin Wolff zu einem weiteren Vortrag zwei Wochen später ins Hotel eingeladen. „Doch auch da kamen so viele Menschen, dass Höft wieder vor der Tür stehen bleiben musste“, schmunzelt Fischer bei dem Gedanken daran.

Merseburg: Alte Fotos von der Oma weckt Werner Wolffs Neugier

Für ihn sei die Stadt nach dem Krieg ein großer Abenteuerspielplatz gewesen, hatte Werner Wolff, der im Jahre 1942 geboren wurde, einst der MZ erzählt. Als kleiner Junge war er in den Trümmern des durch Bomben zerstörten Merseburgs herumgeturnt. „Später wollte ich dann wissen, wie die kaputten Häuser vorher aussahen und habe alles gesammelt, was mir dabei helfen konnte.“ Das Interesse an der Stadtgeschichte hatte bei Werner Wolff Ende der 1950er Jahre aber zunächst seine Oma geweckt, denn von ihr bekam er eine ganze Schachtel voller alter Fotos.

Aus dem Bemühen, das Bildmaterial zu sichten und zu deuten, entwickelte sich eine lebenslange Neugier und eine große Sammlerleidenschaft. Als das Terrain rund um Merseburg ziemlich abgegrast war, inserierte er in der damaligen Wochenpost und bekam Dutzende Zuschriften. Dadurch und auf Börsen trug Wolff seine wohl einmalige Sammlung historischer Postkarten zusammen. Sie gehört heute dem Museum. Auch im Stadtarchiv finden sich einige Dinge, die Wolff einst zusammengetragen hat.

Verschiedene Merseburger Schlossansichten: Museum dankt Werner Wolff

„Er war für uns derjenige, der alles über das alte Merseburg wusste“, sagt auch Karin Heise, die Leiterin des Kulturhistorischen Museums Schloss Merseburg. Vieles von dem, was er zusammengetragen hatte, habe er dem Museum geschenkt oder auch verkauft. Neben den Postkarten seien das auch Konvolute von Fotografen gewesen, die diese ihm anvertraut hatten.

Der gebürtige Merseburger, der aus einer alteingesessenen Kaufmannsfamilie stammte, habe dem Museum aber auch alte Straßenschilder oder andere Dinge, die mit der Geschichte seiner Familie im Zusammenhang standen, übergeben - vermutlich auch das Foto vom früheren Geschäft seines Großvaters Emil Wolff. Der hatte am Roßmarkt 11 mit Kolonialwaren gehandelt. Als das Haus zerstört wurde, hat er einen Ausweichverkauf in der Gotthardstraße 4 eingerichtet.

Besonders wichtig für Merseburg seien verschiedene Schlossansichten gewesen, die Wolff zur Verfügung gestellt hatte, sagte Karin Heise. „Durch diese Fotolithografien wurde klar, dass die Schlossfassade bemalt war. Das war entscheidend für deren Rekonstruktion“, sagte Karin Heise. Schon jetzt steht für Heise und ihr Team fest: „Wir werden Werner Wolff in unserem nächsten Kreiskalender würdigen.“

Werner Wolff wird am 11. Dezember um 14 Uhr auf dem Stadtfriedhof beigesetzt. (mz)