Merseburg Merseburg: Stadtwerke schalten bei 320 Haushalten den Strom ab
MERSEBURG/MZ. - Nach Angaben der Stadtwerke stieg die Zahl der Stromsperren wegen unbezahlter Rechnungen von 260 im Jahr 2011 auf 320 in vergangenen Jahr. Das ist eine Zunahme von knapp 20 Prozent. Insgesamt haben die Stadtwerke rund 22 000 Stromkunden. Für den weiteren Saalekreis liegen keine regionalisierten Zahlen vor. Laut Envia-M-Pressesprecher Stefan Buscher seien die Sperrungen mit etwa 8 000 Fällen im gesamten Grundversorgungsgebiet aber konstant hoch geblieben.
Der Geschäftsführer der Stadtwerke, Karsten Rogall, glaubt nicht, dass die wegen der Energiewende steigenden Strompreise allein dafür verantwortlich sind. Häufig gehe das Stromabklemmen mit einer allgemeinen Verschuldungssituation einher. "Strom ist meistens nicht die Ursache, aber am schnellsten und intensivsten zu merken", so Rogall.
Diese Beobachtung kann Katja Seidel von der Schuldner- und Insolvenzberatung des Landkreises bestätigen. Nur einer von zehn, denen der Strom gesperrt werde, habe ansonsten keine weiteren Schulden. Dennoch: "Gerade kräftige Nachzahlungen zum Jahresende bringen viele in Bedrängnis." Von Stromsperren seien aus ihrer Erfahrung sehr viele Gruppen betroffen, neben Hartz-IV-Empfängern auch zunehmend Niedriglöhner und kleine Selbstständige. "Gerade bei denen verschärft sich das Problem zunehmend, und sie bekommen dann wenig Hilfe", so Seidel.
Denn für Hartz-IV-Empfänger gibt es beim Jobcenter Hilfe. Wenn der Strom abgeschaltet wird, dann kann mit einem Darlehen ausgeholfen werden. "Die Rückzahlung läuft über zehnprozentige Abzüge beim Regelsatz", sagt Anett Bauer vom Jobcenter Saalekreis.
Das Jobcenter hat im vergangenen Jahr keine Zunahme der Stromsperren festgestellt. Erfahrungsgemäß nähmen die Darlehensanträge zum Jahresende immer zu - wegen hoher Nachzahlungen. "Viele kommen einfach viel zu spät zu uns", sagt Bauer. Wichtig sei, schon sehr rechtzeitig zum Jobcenter zu gehen. Spätestens wenn wenn es Probleme mit den Abschlagszahlungen gibt. "Ansonsten treiben Mahnungen und Inkassogebühren die Kosten in die Höhe", so Bauer. Zudem gibt es die Möglichkeit, dass mit Zustimmung des Hartz-IV-Empfängers die Stromrechnung direkt vom Jobcenter beglichen wird, statt das Geld erst auszuzahlen.
Das Verdrängen der Zahlungsprobleme kennt auch Schuldnerberaterin Katja Seidel und bezeichnet das als "Die Kopf-in-den-Sand-steck-Taktik." Gerade junge Leute würden häufig Rechnungen und Mahnungen ignorieren. "Da brauchen sie manchmal sechs Monate Überzeugungsarbeit, bis die Probleme auch erkannt werden", sagt Seidel. Sie wünscht sich, dass alle Stromlieferanten die Schuldnerberatung vorzeitig vor einer Sperre informieren würden. "Dann können wir schneller eingreifen."
Dass die Zahl der Sperrungen in nächster Zeit sinken wird, erscheint unwahrscheinlich. Erst zum Jahresbeginn haben die Stadtwerke in Merseburg den Preis pro Kilowattstunde um 3,23 Cent erhöht - wegen der Energiewende.