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Merseburg Merseburg: Filigrane Vielfalt belegt eindrucksvolle Alltagskultur

Von HANS-ERDMANN GRINGER 02.09.2010, 20:14

MERSEBURG/MZ. - Es ist wohl das schönste Exemplar der Schau und ziert auch das Plakat der neuen Ausstellung.

Das 70 mal 30 Zentimeter große Stickmustertuch aus Leinen stammt aus dem Jahr 1763, gehört zum Bestand des Museums und wurde wohl in Merseburg gefertigt, wie Karin Heise, Chefin des Kulturhistorischen Museums Schloss Merseburg, weiß. Es zeigt neben vielfältigen religiösen Motiven wie dem Brunnen des Lebens, das Paradies samt Sündenfall und die Franckeschen Stiftungen in Halle. Ein filigraner Hingucker.

Neben seiner umfangreichen Sammlung von Perlstickarbeiten, die seit dem Sommer in einer Dauerausstellung zu sehen sind, erweitert das Museum seine Präsentation und lädt Freitag um 18 Uhr zu Eröffnung der Schau "Die gestickte Welt" ein.

Insgesamt 220 Exponate, das älteste Mustertuch mit Tier- und Pflanzendarstellungen sowie Buchstaben stammt von 1710, werden in der Schau gezeigt. Teilweise sind sie aus der Region, denn nach einem Aufruf wurden viele dem Museum zur Verfügung gestellt, so von Lilo Wenger aus Mücheln. Und zugleich werden Utensilien und Sticktechniken vorgestellt und die Geschichte der Stickerei erläutert, wie Karin Heise unterstreicht. Schon für Textilien aus altägyptischen Gräbern, aus dem alten China und der antiken Welt seien fast alle bis heute gebräuchlichen Grund-Stickarten belegt.

In Deutschland seien erste Model- und Musterbücher dann im 16. Jahrhundert erschienen und waren natürlich angesichts ihrer Exklusivität Adelskreisen vorbehalten. Deshalb behalf man sich, fertigte in den Haushalten selbst Musterbücher an, die dann meist über die Generationen hinweg weitergegeben wurden. Neben Stickverzierungen auf Haushaltsdingen wie Tüchern, Laken und Bändern fanden Stickereien auf Trachten und im religiösen Bereich Anwendung, sie waren praktisch Allgemeingut. Von 1870 bis 1920 gehörte Sticken dann in der Schule sogar zum Unterricht.

Die Schau in Merseburg zeigt nun historische Stickmustertücher und Musterbücher. Vorgestellt werden neben eigenen Beständen und zahlreichen interessanten Leihgaben auch das von der Grabau-Stiftung Halle und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden vom dortigen Fachbereich Wirtschaftswissenschaften initiierte Projekt "Die gestickte Welt". Dabei geht es um moderne Stickarbeiten von allen Kontinenten. "Professorin Irina Hundt, die dort lehrt und selbst Merseburgerin ist, wusste um unsere Bestände und hat sich gleich mit eingebracht", sagt Museumschefin Karin Heise.

Da kann man bestickte Kleider aus Jordanien sehen. Weitere ausgewählte Beispiele kommen aus Polen, Russland, China, den Niederlanden und Afghanistan.

Um die Kunst des Stickens zu erläutern, wird Lorraine Motz vom Deutschen Stickmuseum in Celle am kommenden Dienstag um 19 Uhr in die Hofstube des Schlosses einladen und einen Streifzug durch die "Geschichte der Stickmustertücher in Europa" wagen. Bemerkenswert: Eine kleine Broschüre, in einer Auflage von 500 Stück gedruckt und für sechs Euro erhältlich, zeigt ausgewählte Details des Mustertuchs vom Plakat und ihre jeweiligen Vorlagen. "Das gleiche Mustertuch wird vom Museum für Besucher auch als ganze Vorlage angeboten. Da kann sich jeder selbst stickend ausprobieren", so Karin Heise.

Die Sonderschau "Die gestickte Welt" ist bis zum 31. Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr und vom 1. bis zum 7. November dann täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet.