Nach Bombenfund Merseburg: 2.000 Menschen müssen nach Bombenfund Häuser verlassen

Merseburg - Es ist die Nachricht, auf die Merseburg gehofft hat: Am Donnerstagmittag gibt Sprengmeister Udo Theilemann vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Entwarnung. Die 2,5 Zentner schwere Fliegerbombe, die ein amerikanisches Kampfflugzeug im Zweiten Weltkrieg über der Stadt abgeworfen hatte, ist ungefährlich. An dem Blindgänger, der bei Schachtarbeiten im Akazienweg gefunden worden war, fehlen die Zünder. Die Bombe kann gefahrlos abtransportiert werden.
„Heute haben wir Glück gehabt. Die Menschen können in ihre Häuser zurück. Das ist das Wichtigste“, sagt Einsatzleiter Benjamin Otto vom Katastrophenschutz des Kreises.
Evakuierungen nach Bombenfund in Merseburg
Am Morgen war die Situation hingegen noch völlig unklar. „Ich sehe nur den Kopf der Bombe. Wir müssen sie freilegen, doch das wird nicht einfach“, sagt Sprengmeister Theilemann. So müssen erst eine Gasleitung sowie Strom- und Telefonkabel gekappt werden. Erst dann kann der Trupp des Kampfmittelbeseitigungsdienstes damit beginnen, die schmale Straße aufzuschachten, um von der Seite an die Bombe zu gelangen.
Schon vor 8 Uhr hat derweil eine der größten Evakuierungsaktionen der letzten Jahre in Merseburg Süd begonnen. Etwa 2.000 Einwohner müssen ihre Häuser verlassen, auch drei Schulen und eine Kindertagesstätte sind betroffen. Eine Aktion, die mehrere Stunden dauert. „Wir fangen so zeitig wie möglich an, um die Bombe noch bei Tageslicht entschärfen zu können“, sagt Andrea Spitzer, Sachgebietsleiterin für den Katastrophenschutz.
Großeinsatz für 175 Mitarbeiter aus Behörden, der Polizei, Feuerwehren und Rettungsdienst
Es wird auch ein Großeinsatz für 175 Mitarbeiter aus Behörden, der Polizei, Feuerwehren und des Rettungsdienstes. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes in der Straße des Friedens richtet sich die Einsatzzentrale ein, logistische Hilfe dafür kommt von der Berufsfeuerwehr aus Halle.
Die Häuser im Umkreis von 500 Metern um den Fundort der Bombe werden in zwei Etappen evakuiert.
Bis 8 Uhr: Birkenweg, Akazienweg, Pappelallee, Buchenweg.
Bis 10 Uhr: Unter den Eichen, Erlenweg, Platanenweg, Ahornweg, Häuerstraße, Benndorfer Straße, Ulmenweg, Naundorfer Straße, Wernsdorfer Straße sowie Teile der Naumburger Straße, der Straße des Friedens und des Bergmannsrings.
Die Haltestelle für Shuttlebusse zu den Notunterkünften wird ab 8 Uhr an der Gaststätte Südeck, Nähe Naumburger Straße, eingerichtet. Der Landkreis fordert Betroffene auf, Gashähne abzusperren, elektrische Geräte abzuschalten, Fenster und Türen zu verschließen.
Im Akazienweg redet sich Claudia Kaschützke derweil selbst Mut zu. Das Haus der Familie steht direkt am Fundort. „In Merseburg wurden schon so viele Bomben gefunden. Und immer ist es gut gegangen. Die Experten wissen doch, was sie tun“, sagt sie fröstelnd im eisigen Wind, dann muss auch sie ihr Heim verlassen. „Ich habe schon Angst. Hier geht es um unsere Existenz.“
Evakuierungen in Merseburg: 500 Meter großer Sperrradius
Mit ihrem Sohn sucht sie Unterschlupf bei ihrer Mutter, die ganz in der Nähe wohnt. Wer nicht arbeiten ist oder mit dem Auto selbst den 500 Meter großen Sperrradius verlassen kann, der nutzt den Busshuttle zur Rischmühlenhalle. Dort wird das Notquartier eingerichtet, in dem sich schnell fast 200 Menschen aufhalten, vor allem ältere Anwohner aus den nunmehr verwaisten Straßen rund um die Bombe. Betreut werden sie von Einsatzkräften des ASB und des DRK. Sie bekommen Getränke und etwas zu essen - Wurstgulasch mit Nudeln aus der Gulaschkanone.
„Wir halten für Einsätze wie diesen immer Notrationen vor, um 100 bis 200 Menschen versorgen zu können“, sagt Axel Freytag vom ASB. Doch der Vorrat reicht nicht. „Wir haben bereits Lebensmittel nachgeordert.“ Auch der 87 Jahre alte Eberhard Gitter sitzt in der Sporthalle und harrt ruhig der Dinge. Als Kind hat er den Zweiten Weltkrieg erlebt, damals wohnte er noch in Reipisch. „Ja, die Erinnerung kommt wieder. Aber eigentlich vergisst man diese schrecklichen Zeiten nie. Krieg ist was Schlimmes“, erzählt er.
Merseburg: Im Akazienweg hängt die amerikanische Bombe am Haken
Reipisch sei von mehreren Bomben getroffen worden. Viele Häuser lagen in Schutt und Asche. Zahlreiche Menschen starben, auch viele seiner Freunde. „Vor unserem Haus ist eine Bombe eingeschlagen, aber nicht explodiert. Den Sprengstoff haben sie aus dem Blindgänger geholt und auf einem Feld verbrannt“, schildert der Senior. Jetzt hoffe er, dass er bald nach Hause könne.
Die Hoffnung erfüllt sich. Im Akazienweg hängt die amerikanische Bombe am Haken und wird von einem Bagger aus der Grube gehoben. Sie wird zum Munitionslager in die Altmark gebracht und dort vernichtet. „Für alle Beteiligten ist es das Beste. Hätte die Bombe einen Langzeitzünder gehabt, wäre es kritisch geworden“, sagt Theilemann. (mz)


