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Kulturhistorischen Museum in Merseburg Kulturhistorischen Museum in Merseburg: Grüße vom Heiligen-Bäcker

Von DIANA DÜNSCHEL 16.11.2013, 09:52
Student Philipp Jahn (l.) erforschte die Stücke, die Ulf Dräger als Kustos der Stiftung Moritzburg für die Ausstellung über mittelalterliche Keramik auswählte.
Student Philipp Jahn (l.) erforschte die Stücke, die Ulf Dräger als Kustos der Stiftung Moritzburg für die Ausstellung über mittelalterliche Keramik auswählte. PETER WÖLK Lizenz

MERSEBURG/MZ - Die Kinderklapper aus der Spätromanik ist bis heute funktionstüchtig und schön anzuschauen. Dennoch sollte sie besser nicht mehr in Kinderhände kommen. Ihre Bleiglasur ist giftig. Anders verhält sich das mit den kleinen Figuren, die man einst - kein Scherz - beim Heiligen-Bäcker bestellte und dann zur persönlichen Andacht verwendete. Freilich sind die Stücke inzwischen erstens mehrere Jahrhunderte alt und zweitens auch entsprechend wertvoll und deshalb nur in einer verschlossenen Vitrine zu sehen.

Öffentliche Führungen durch die Ausstellung finden am 23.11., 7.12., 18.1. und 15.2. jeweils um 10 Uhr statt.

Zum Vortrag „Keramik des Mittelalters und der Renaissance aus den Schätzen der Moritzburg in Halle“ in der Hofstube des Merseburger Schlosses lädt Professor Hans-Georg Stephan von der Martin-Luther-Universität Halle am 20.1. um 19 Uhr ein.

Ein Schülerprojekt in den Winterferien wird am 4.2. und 6.2. jeweils 10 bis 12 Uhr im Museum angeboten. Unter dem Motto „Ein Becher für Tilo“ können Kinder unter Anleitung der Töpferin Sabine Winkler aus Lössen Gefäße nach 500 Jahre alten Vorbildern modellieren. Die Teilnahme kostet drei Euro zuzüglich sieben Euro Materialkosten. Eine Anmeldung ist unter Telefon 03461/40 13 18 möglich. Für Gruppen ab zehn Teilnehmern können weitere Termine vereinbart werden.

Die Schau ist bis zum 16.2. täglich von 10 bis 16 Uhr zu sehen, außer am 24. und 31. Dezember.  (DD)

Es sind zwei Beispiele für jene rund 400 Exponate, die ab Samstag in der neuen Sonderausstellung „Geformt-Gebrannt-Gebraucht. Keramik des Mittelalters und der Reformationszeit“ im Kulturhistorischen Museum Merseburg zu sehen sind. Dabei präsentiert die Stiftung Moritzburg Halle ihre reiche Sammlung nicht nur erstmals seit den 50er Jahren wieder der Öffentlichkeit, in diesem Fall ergänzt durch eigene Merseburger Bestände.

Zuvor hatten sich auch Studenten der Kunstgeschichte und Archäologie der Martin-Luther-Universität Halle mehrere Semester lang mit den Stücken befasst und kamen teils zu ganz neuen Forschungsergebnissen. So habe man lange gedacht, dass bestimme Bodenfliesen aufgrund ihres Musters aus Italien stammen. Tatsächlich aber seien sie aus einer Werkstatt im Rheinland, die dieses Muster schlicht imitierte, nennt Philipp Jahn ein Beispiel. Er war mit seinen Kommilitonen auf Vergleichsstücke gestoßen, von denen man vor 50, 60 Jahren in der Stiftung Moritzburg noch nichts wusste.

„Aus dem Allerweltsstoff Keramik sind durch allerlei Tricks und Kniffe im Mittelalter kostbare Dinge entstanden, bezaubernde Objekte“, kommt Ulf Dräger, Kustos der Stiftung Moritzburg, angesichts der Krüge, Münzschatzgefäße, Ofenkacheln und Bodenfliesen regelrecht ins Schwärmen. Viele der Gefäße könnten sich auch in unseren heutigen Küchenschränken behaupten oder als Zierde unsere Fußböden schmücken, findet er. Die Ausstellung spanne einen Bogen von der Alltagskeramik, die viel über das Leben im Mittelalter verrate, bis hin zu wahren Kostbarkeiten.

Dazu gehört zweifellos das prestigeträchtige Hauszeichen des Erbauers des Kühlen Brunnen zu Halle, das gleich im Eingangsbereich der Schau die Blicke auf sich zieht. Ein Stück dieser Größe zu brennen und dann zu trocknen, ohne dass das Material reiße, sei bis heute extrem schwierig, betont Ulf Dräger. Das, die zahlreichen verwendeten Farben und der gute Erhaltungszustand machten dieses Hauszeichen einzigartig in Mitteleuropa.

Die Ausstellung wird am Samstag um 18 Uhr in der Aula des Domgymnasiums, Domplatz 4, eröffnet. Hans-Georg Stephan von der Martin-Luther-Universität Halle gibt eine Einführung in die Schau.

Auf der Ofenkachel aus der Mitte des 16. Jahrhunderts ist Kaiser Karl V. abgebildet.
Auf der Ofenkachel aus der Mitte des 16. Jahrhunderts ist Kaiser Karl V. abgebildet.
PETER WÖLK Lizenz
Der Schauteller von 1536 wurde als Erinnerungsbildnis angefertigt, so wie wir heute Fotos in unserer Wohnung aufstellen.
Der Schauteller von 1536 wurde als Erinnerungsbildnis angefertigt, so wie wir heute Fotos in unserer Wohnung aufstellen.
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Diese kleinen Heiligenfiguren aus dem späten 15. Jahrhundert wurden zur privaten Andacht verwendet und von sogenannten Heiligen-Bäckern angefertigt.
Diese kleinen Heiligenfiguren aus dem späten 15. Jahrhundert wurden zur privaten Andacht verwendet und von sogenannten Heiligen-Bäckern angefertigt.
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