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Hochwasser in Merseburg Hochwasser in Merseburg: Das Chaos bleibt zurück

Von Dirk Skrzypczak 07.06.2013, 19:22
Mit Gummistiefeln kommt man wieder ein gutes Stück weit in die Werderstraße.
Mit Gummistiefeln kommt man wieder ein gutes Stück weit in die Werderstraße. Grätsch Lizenz

Merseburg/MZ - Das Rauschen der Saaleflut, laut wie ein Wasserfall, übertönt sogar die knatternden Pumpen. Olaf Necke steht im Erdgeschoss seines Wohnhauses in der Werderstraße und wischt die braune Brühe aus dem Flur. Jetzt, da das Wasser wieder weicht, bleibt das Chaos zurück: Parterre ist die Wohnungseinrichtung dahin. Der Garten ist verwüstet, Gemüse und Früchte sind verloren. Überall klebt der Schlamm. Necke, der in Bad Lauchstädt einen Schmuckladen hat, zeigt auf einen dunklen Strich an der Wand. „So hoch stand das Zeug“, schnauft er. Etwa 70 Zentimeter. Dass die Flut 1994 schlimmer war, ändert nichts an der Katastrophe. „Es wird Monate dauern, bis alles in Ordnung ist. Die Zeit danach ist die schlimmste“, sagt Partnerin Uta Stötzner.

36 Stunden ohne Schlaf

Die Familie wohnt direkt am Strom. „Als es den Dauerregen gab, wusste ich, was passiert“, sagt der 51 Jahre alte Einzelhändler. Von Sonntag an hatten beide Eltern mit Sohn Jan (13) und Freunden alles getan, um das Haus zu sichern. „36 Stunden gab es keinen Schlaf. Wir haben geschuftet bis zum Umfallen. Und dann kam das Wasser. Zehn Minuten hat es gedauert, da war unser Kampf verloren“, erzählt Uta Störzner und wirkt dennoch gefasst. „Es klingt komisch. Aber als die Flut in das Haus schoss, ist die Anspannung von mir abgefallen. Ab da war mir klar, dass wir der Natur ausgeliefert sind“, sagt Necke. An Flucht habe er nicht eine Sekunde gedacht. Das, was zu retten war, haben sie nach oben gehievt - weg von den gefräßigen Wassermassen. Schäferhund Benny musste auf das Dach der Garage. Sein Zuhause wurde ein ehemaliger Taubenschlag. Freunde versorgten die Eingeschlossenen mit Lebensmitteln. Als dann der Strom abgestellt wurde, setzte Necke zwei Notstromaggregate in Betrieb.

Schutz half nicht

„Früher war es nicht so schlimm“, sagt der Familienvater. Das Wohnhaus in normalerweise idyllischer Lage hat er von seinen Eltern übernommen. An gefährliche Hochwasser kann er sich kaum erinnern. „1988 stand das erste Mal Wasser im Garten. Da war das Haus aber trocken.“ 1994 kam dann die verheerende Sintflut. 2001 wälzte sich die Saale wieder aus ihrem Bett, ebenso 2011. Necke hat Schutzeinrichtungen rund um das Haus gebaut. Geholfen haben sie nicht. „Vier große Hochwasser in 20 Jahren. Das kann doch nicht nur am Klimawandel liegen“, fragt er sich. Der Mensch, der dem Fluss Überflutungsflächen raube, habe wohl eine Aktie daran.

Drei Tage konnte die Familie nur in Wathosen das Haus verlassen und warten, dass der Strom endlich an Kraft verliert. Nun hat das Aufräumen begonnen. Dass Stadt und Landesbetrieb für Hochwasserschutz unter anderem direkt auf ihrem Grundstück einen Deich errichten wollen, hat Uta Stötzner bis Sonntag noch kritisch gesehen. „Die Mauer verschandelt doch den Garten.“ Ihre Meinung hat sich geändert. „Ich möchte endlich keine Angst mehr haben müssen.“

Haben nach der Flut mit dem Aufräumen begonnen: Jan Stötzner, Matthias Giedo, Uta Stötzner und Olaf Necke (von links nach rechts).
Haben nach der Flut mit dem Aufräumen begonnen: Jan Stötzner, Matthias Giedo, Uta Stötzner und Olaf Necke (von links nach rechts).
Grätsch Lizenz
Zwischen Werder und Stadt stand das Wasser am Donnerstag einen Meter hoch.
Zwischen Werder und Stadt stand das Wasser am Donnerstag einen Meter hoch.
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