Historische Kuranlagen Historische Kuranlagen: Retter von Bad Lauchstädt

Bad Lauchstädt - Käfer, Hausschwamm, morsche Balken, aufsteigende Nässe - eigentlich sind das Themen, mit denen ein Kulturmanager nichts zu tun haben sollte. Für René Schmidt zählen diese Dinge derzeit jedoch zum Alltag. Der 51-Jährige ist Geschäftsführer der Historische Kuranlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt gGmbH. Zu der gemeinnützigen Gesellschaft gehört ein Gebäudeensemble im Herzen der Saalekreis-Stadt, das historisch bedeutend, aber auch in die Jahre gekommen ist. Deswegen wird es derzeit saniert. Sechs Millionen Euro gibt das Land, das alleiniger Gesellschafter ist, um Kursaal, zwei Pavillons im Park und das Theater wieder herzurichten. Dass das Geld überhaupt fließt, ist auch Schmidt zu verdanken.
Um die Ausbesserung wurde lange gerungen. Die Entdeckung der Schäden am Theater fiel in eine Zeit, in der die Kultur im Land mit massiven Kürzungen konfrontiert wurde. „Vor drei Jahren haben wir eher durch Zufall unter den Putz geschaut und dort die ganze Flora und Fauna an Gebäudeschädlingen entdeckt, die man sich vorstellen kann“, erinnert sich Schmidt. Die Schäden sind eine Folge der intensiven Nutzung des Theaters. Zum Schutz ist der Bau seit Ende 2012 mit einer grauen Folie umhüllt.
Hinzu kamen die Sanierungsarbeiten an den Kuranlagen, die durch aufsteigende Nässe langsam zerstört wurden. Eine größere Investition war notwendig, um das Ensemble zu retten. Zuerst zuckte das Land aber zurück. Immerhin begann es 2012, den kulturellen Einrichtungen in Sachsen-Anhalt umfassende Sparzwänge aufzuerlegen - auch Bad Lauchstädt wurde damals nicht verschont.
Keine Zeit für Protest
Bis dahin bekam die Kuranlagen- und Theater-Gesellschaft einen Zuschuss von 1,4 Millionen Euro im Jahr. Dieser sollte nun auf 410?000 Euro schrumpfen - eine Kürzung um weit mehr als die Hälfte. Während andere angesichts solcher Sparvorgaben auf die Barrikaden gingen, nahm sich Schmidt keine Zeit für Protest: „Wen hätte das interessiert, wenn ich hier auf dem Marktplatz demonstriert hätte?“
Die Geschichte der Kuranlagen in Bad Lauchstädt reicht bis in das Jahr 1710 zurück. Damals wurde das erste Haus an der Lauchstädter Mineralquelle gebaut, deren Wasser zuvor von der Universität Halle als gesundheitsförderlich befunden wurde. In den folgenden Jahren entstanden Kurpark und weitere Bauten. Die noch heute erhaltenen, spätbarocken Kuranlagen wurden zwischen 1775 und 1787 errichtet. 1802 kam das von Johann Wolfgang von Goethe konzipierte und finanzierte Theater hinzu. Als deutschlandweit ältestes klassizistisches Theater ist es der Hauptanziehungspunkt des Ensembles.
Trotz der Sanierungen wird das Goethe-Theater aber weiter bespielt. Die Winterpause endet im April. Theater-Chef René Schmidt hebt drei Produktionen hervor: die komische Oper „La Cinesi“ (Premiere 17. Mai), Mozarts „Die Zauberflöte“ (Premiere 21. Juni) und die Händel-Oper „Rinaldo“, bei der lebensgroße Marionetten auf der Bühne stehen (Premiere 22. August). Außerdem gastieren das Festival „Women in Jazz“ und die „Händel-Festspiele“ mit Veranstaltungen in Bad Lauchstädt. Und vom 3. bis zum 6. September findet im Theater außerdem wieder das „Festspiel der Deutschen Sprache“ statt.
Stattdessen setzte er sich mit dem Ministerium zusammen und überzeugte den Saalekreis, sich mit mehr als 400?000 Euro an der Finanzierung der Gesellschaft zu beteiligen. „Ich versuchte, mit dem geringeren Budget zurecht zu kommen“, sagt Schmidt. Auch wenn das schmerzhaft war. Um die Sparvorgaben zu erfüllen, musste er Arbeitsbereiche ausgliedern. Die Pflege der Grünflächen im Kurpark zum Beispiel. Damit schrumpfte die Mitarbeiterzahl: „Vorher waren hier 26 Leute fest beschäftigt, jetzt sind es nur noch acht.“ Bei einer Sache ließ Schmidt jedoch keine weiteres Sparen zu: den Gebäuden. Was die Kurbauten, das Theater und den Park betraf, war der Kulturmanager zu keinem Kompromiss bereit.
Mehr über Schmidts unerwarteten Abgang und seine Rückkehr als Geschäftsführer erfahren Sie auf der nächsten Seite.
Gerade die Sanierung des Schauspielhauses hatte für ihn oberste Priorität. „Das Theater ist sehr angesehen“, schwärmt Schmidt. Goethe selber habe es konzipiert und sogar finanziert. „Das gibt es in Deutschland nicht noch einmal.“ Neben der überragenden kulturellen Bedeutung ist das Goethe-Theater aber auch wirtschaftlich enorm wichtig. Die Auslastung des Hauses ist hoch. Bis zu einer halben Million Euro spielt es im Jahr ein. „Ohne eine Sanierung hätten Theater und damit auch GmbH vielleicht noch drei bis vier Jahre überlebt“, ist sich Schmidt sicher.
Als sich 2012 jedoch abzeichnete, dass das Land für die Sanierung erst einmal kein Geld bereitstellen würde, zog Schmidt die Reißleine. „Es gab damals keine gesicherte Perspektive und ich wollte nicht als derjenige in die Chronik dieser 1710 gegründeten Kultureinrichtung eingehen, der sie schließlich abgewickelt hat“, sagt er. Ende 2012 schied Schmidt deswegen als Geschäftsführer aus und ging nach Pirna. Dort wurde er Chef der Kultur- und Touristikgesellschaft. Sein Abgang kam unerwartet. Viele trauerten ihm nach - auch wenn er nicht komplett verschwand. Schmidt blieb kommissarischer Geschäftsführer in Bad Lauchstädt. Allerdings kümmerte er sich aus der Ferne nur um das Kultur-Programm des Goethe-Theaters, nicht um das gesamte Ensemble.
Weggang als Kampf für die Kultur
Sein Weggang war Schmidts Art, für die Kultur in Sachsen-Anhalt zu kämpfen. Und das zeigte Wirkung. Denn beim Land wusste man, was man an dem Kulturpragmatiker hatte, der Sätze sagt, wie: „Kultureinrichtungen sollten immer kreativ an ihren Möglichkeiten arbeiten, eigenes Geld zu erwirtschaften.“ Oder: „Wenn überall gekürzt wird, können wir nicht ungeschoren davonkommen.“ Im Frühjahr 2014 wurde Schmidt ein neues Angebot unterbreitet. Er sollte wieder hauptamtlicher Geschäftsführer in Bad Lauchstädt werden. Und noch dazu Bauherr. Denn die sechs Millionen Euro für die Sanierung waren nun da. Schmidt willigte ein.
Als Geschäftsführer ist er nun allein für die Sanierung der historischen Anlage verantwortlich. „Für das Land ist das bequem, denn es muss eventuelle Kostensteigerungen nicht tragen“, erklärt Schmidt. 700?000 Euro hat er bereits für Mehraufwendungen eingeplant. Insbesondere bei der Sanierung des Theaters, die eine Million Euro kosten soll, seien Überraschungen möglich. „Wer weiß, was sich alles unter dem Putz verbirgt“, sagt Schmidt.
2017 wird wieder verhandelt
Dass das Land sich komplett von den Risiken des Baugeschehens freigemacht hat, ist für Schmidt eher Herausforderung als Malus. Er genießt die Freiheit, die damit verbunden ist. Anstatt zu opponieren, arrangiert er sich. So finanziert er zum Beispiel die neue Bühnenbeleuchtung im Theater über Stiftungen. Schmidt ist, was das angeht, umtriebig. Er muss es auch sein. Denn das nächste Ziel ist schon in Sicht. 2017 wird wieder mit Land und Kreis über die Finanzierung verhandelt.
Wenn alles gut geht, gehören dann Hausschwamm, Käfer, morsche Balken und aufsteigende Nässe der Vergangenheit an. Schmidt hat dann ein Pfund, mit dem er in den Verhandlungen wuchern kann: sanierte Kuranlagen und ein erneuertes, in Deutschland einmaliges Theater. (mz)

