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Anrufe im Sekundentakt Gesundheitsamt überlastet: Mitarbeiter des Gesundheitsamtes kommen an ihren Grenzen

Von Melain van Alst 27.10.2020, 11:05
Die Telefone klingeln im Gesundheitsamt am laufenden Band.
Die Telefone klingeln im Gesundheitsamt am laufenden Band. dpa

Merseburg - Im Sekundentakt klingeln die beiden Telefone im Büro von Annett Bräunlich-Andl. Immer wieder wandert ihr Blick kurz zum Display, dann verstummt das Telefon wieder. Das Gespräch wurde an einem der neun anderen Geräte angenommen. Kaum ist die Melodie verklungen, ertönt sie erneut.

Viele Fragen: Bedarf für erweiterte Hotline-Zeiten ist da

Der nächste Anrufer ist in der Leitung. Es ist Montag 10 Uhr und seit einer Stunde ist die Corona-Hotline des Gesundheitsamtes in Merseburg für Anrufer geschaltet. Noch bis 15 Uhr können sich Anwohner aus dem Saalekreis mit Fragen an das Gesundheitsamt wenden. Für die Mitarbeiter beginnt unterdessen die nächste Woche mit Fragen, Kontaktverfolgungen und Abstrichen bei steigenden Coronainfektionen. Es ist eine kräftezehrende Mammutaufgabe.

„Wir haben überlegt, ob wir die Zeiten für die Hotline wieder erweitern sollen“, sagt Annegret Muchow, Leiterin des Gesundheitsamtes und schaut zu ihrer Kollegin Annett Bräunlich-Andl. Sie ist im Gesundheitsamt zuständig für die Hotline und die Abstrichbereiche und nickt. „Der Bedarf ist einfach da“, sagt Bräunlich-Andl. Daher haben sie sich dafür entschieden, auch wenn dafür viel Personal und Zeit benötigt wird.

„Die Menschen sind verunsichert“

An diesem Montagmorgen sind zehn Telefone allein für die Hotline besetzt. Oft sind es wiederkehrende oder ähnliche Fragen, die die Mitarbeiter mit viel Geduld beantworten. „Die Menschen sind verunsichert“, sagt Muchow. Sie suchen daher auch gut sechs Monate nach Ausbruch des Coronavirus für alltägliche Fragen Hilfe an der Hotline. „Der Nachbar hat Corona, was muss ich tun?“, ist so ein Beispiel erzählt Bräunlich-Andl von ihren täglichen Erfahrungen.

Auch die Fragen, wann man in Quarantäne muss, wenn jemand Entferntes positiv getestet wurde oder wann ein Test nötig wird, gehören zum Standard. „Wenn die Leute Angst bekommen, entsteht oftmals ein Tunnelblick“, erklärt Muchow. Antworten, die sie eigentlich schon kennen, können sie dann nicht mehr abrufen. Dabei beantworten die Mitarbeiter, vor allem Fragen zu Rechtsgrundlagen, keine medizinischen Fragen.

Mit den steigenden Coronazahlen werden auch wieder Abstriche im Saalekreis genommen. Dafür hat sich das Gesundheitsamt gewappnet: Seit Montag gibt es am Gesundheitsamt in Merseburg eine zweite Abstrichstelle. Abgestrichen wird dort jedoch nur nach Terminvergabe und wenn die Personen symptomfrei sind. Das betrifft Kontaktpersonen, Reiserückkehrer, jene die zur Reha gehen und vorab einen Test benötigen. „Die Zahlen sind auch hier spürbar gestiegen“, sagt Annett Bräunlich-Bandl vom Gesundheitsamt. In aller Regel werden Abstrich nur bis 13 Uhr genommen, damit diese dann an das Labor geschickt werden können. Darüber hinaus gibt es auch ein Team, das begrenzt Hausbesuche macht. Das sei jedoch nur jenen vorbehalten, die wirklich keine Möglichkeit haben, zum Gesundheitsamt zu kommen.

„Für Menschen mit Symptomen ist nach Terminabsprache die Fieberambulanz zuständig“, betont die Gesundheitsamtsleiterin Annegret Muchow. Die befindet sich am Klinikum in Merseburg und ist derzeit an drei Tagen in der Woche in der Lage Abstriche zu machen.

Wichtig sei jedoch, dass man sich immer zuerst an den Hausarzt wendet. Denn oftmals führen auch sie Abstriche durch. „In Querfurt beispielsweise wechseln die Hausärzte wochenweise, um Abstriche durchzuführen.“

Probleme bei er Kontaktverfolgung - Familientreffen wirken sich aus

Es dauere ein bis zwei Wochen bis neue Kräfte an der Hotline eingearbeitet seien. Zwischen den Mitarbeitern der Kreisverwaltung, die häufig auch aus anderen Abteilungen der Verwaltung kommen, sitzen in Flecktarn gekleidet Bundeswehrsoldaten. „Wir haben einen Antrag für fünf Soldaten gestellt, das hat auch was mit den Arbeitsplatzmöglichkeiten zu tun“, erklärt die Leiterin des Gesundheitsamtes.

Neben den Mitarbeitern an der Hotline, sitzen auf einer anderen Etage des Amtes jene, die sich der Kontaktverfolgung widmen - der zweiten große Aufgabe. Die sei deutlich aufwendiger geworden, als noch im März oder April. „Damals hatten die Menschen drei oder vier Kontaktpersonen, heute sind es auch gern um die 20 und mehr“, sagt Bräunlich-Andl. Ob Familienfeiern, Treffen mit Freunden oder Arbeitskollegen, die Liste der Kontakte ist lang. 

„Wir appellieren auf die vielen Kontakte wenn möglich zu verzichten.“

Die Nachverfolgung dauert lange, denn jeder auf der Liste wird informiert. Muchow betont, dass sie auch weiterhin die Kontaktverfolgung als das Mittel der Wahl zur Eindämmung sieht. „Tun wir das nicht, dann überrollt es uns“, glaubt sie. Gleichzeitig sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Kontaktverfolgung nicht mehr zu stemmen sei. Noch sei es möglich, sagt Muchow und wünscht sich, dass die Menschen noch etwas Geduld aufbringen.

„Ich verstehe, dass viele ein Stück Normalität wollen, aber wir appellieren auf die vielen Kontakte wenn möglich zu verzichten.“ Muchow versucht zu beschwichtigen, die Pandemie gehe vorbei. Doch derzeit steigen die Zahlen im Saalekreis. Seit Freitag wurden 19 neue Fälle gemeldet, damit sind nun 102 Menschen aktuell mit dem Virus infiziert. 444 Personen befinden sich außerdem derzeit in häuslicher Quarantäne. Die Zahl der Infizierten der letzten sieben Tage auf 100.000 Einwohner liegt bei 23,4 Fällen.

Gefährdeten Gebiete innerhalb Deutschlands sorgen für viele Fragen

Noch befindet sich der Saalekreis unter den warnenden Grenzen von 35, 50 oder 100 Neuinfektionen pro Woche gerechnet auf 100.000 Einwohner. „Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis es soweit ist“, sagt die Leiterin des Gesundheitsamtes. Welche neuen Regeln dann für den Saalekreis gelten, richtet sich auch nachdem was auf Landesebene entschieden wird. „Ich bin für Abstufungen, aber innerhalb der Stufen müssen die Regeln gleich sein.“ Sie befürchtet sonst, dass die Menschen zusätzlich verunsichert würden, bei vielen unterschiedlichen Regeln.

Schon jetzt sorgen die gefährdeten Gebiete innerhalb Deutschlands für viele Fragen. „Wir haben Menschen, die in Halle arbeiten und fragen, was das nun für sie bedeutet“, sagt Bräunlich-Andl. Man müsse keinen Test machen, wenn man in den gefährdeten Städten oder Kreisen arbeitet, man dürfe auch arbeiten gehen, erklärt Gesundheitsamtsleiterin Muchow. (mz)