Attentat in Halle Flucht nach Attentat in Halle: Schüsse in Wiedersdorf (Saalekreis)
Wiedersdorf - „Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas in unserem Ort passiert. Hier kennt doch jeder jeden“, sagte Steffen Kurz, Einwohner von Wiedersdorf, einer kaum 50 Einwohner zählenden Siedlung ganz im Süden der Stadt Landsberg. Er wartete am Mittwochnachmittag ebenso wie zahlreiche Medienvertreter auf einem Acker vor dem Dorf. Vor allem sächsische Polizeikräfte mit Maschinengewehren hatten den Ort abgeriegelt. Ein Räumpanzer fuhr auf, Kräfte des SEK wurden die Kopfsteinpflasterstraße entlang gefahren. Schnell war klar, hier befand sich ein Tatort im Zusammenhang mit den tödlichen Schüssen in Halle, durch die eine Hallenserin und ein Merseburger starben.
Doch was genau in dem kleinen Ort geschah, blieb lange unklar. Von offizieller Seite gab es am Mittwoch nur die über die App Katwarn verbreitete Warnung, dass es in Landsberg zum Schusswaffengebrauch gekommen sei. Die Meldung bestätigte sich später durch Aussagen von Wiedersdorfern. Demnach ließ der Täter in dem Dorf nicht nur einen Fluchtwagen zurück, sondern verletzte auch zwei Menschen, 40 und 41 Jahre alt. Beide wurden später mit schweren, nicht lebensbedrohlichen, Verletzungen im Uniklinikum Halle behandelt. Am Donnerstag erklärte der Kliniksprecher, dass es beiden Verletzten den Umständen entsprechend gut gehen würde.
Schüsse in Wiedersdorf im Saalekreis
„Ich habe Schüsse gehört“, berichtete der Inhaber einer Autowerkstatt am Ortseingang, der nicht nur Zeuge, sondern auch Opfer der Tat war. Das sei etwa gegen 13 Uhr gewesen. Unmittelbar danach sei der Täter mit einer gezogenen Waffe auf ihn zugelaufen. „Er hat Autoschlüssel verlangt“, schilderte der Werkstattchef. Er habe ihm dann einen „Kundenwagen“ gegeben, mit dem der Täter geflüchtet sei. Dabei handelte es sich um das Taxi mit dem der Angreifer, mutmaßlich ein 27-Jähriger aus Benndorf (Mansfeld-Südharz), später auf der B 91 zwischen Weißenfels und Zeitz auf einen Lastwagen auffuhr und so von Polizisten gefasst werden konnte. „Er sprach keinen Dialekt“, erinnerte sich der Werkstattchef an den Täter vor Ort. Ein schmächtiger Typ sei das gewesen, mit Glatze. Eine Beschreibung, die zum später aufgetauchten Bild des Täters passte.
Als dieser weggefahren sei, sei er zu den Nachbarn gelaufen, berichtete der Werkstattchef. Das Paar habe Schussverletzungen gehabt, der Mann im Nacken, die Frau am Gesäß. Beide hätten aber noch laufen können. „Es ist glücklicherweise glimpflich ausgegangen – anders als in Halle.“
Ähnliche Schilderungen erhielt auch der am Ortsrand wartende Steffen Kurz über eine dorfinterne WhatsApp-Gruppe. Angesichts der Verletzten sagte der 51-jährige Wiedersdorfer: „Man hat da ein flaues Gefühl im Magen. Es hätte ja auch einen selbst treffen können.“ Er musste bis in die Nacht vor dem Dorf ausharren. Die Polizei durchsuchte das Dorf Grundstück für Grundstück. Erst nach einigen Stunden, als klar war, dass es sich um einen Einzeltäter handelte, zeigte sich eine gewisse Entspannung bei den Einsatzkräften. Die Zahl der Schwerbewaffneten wurde reduziert. Am Abend trafen dann der Kriminaltechnische Dienst sowie zivile Ermittler am Tatort ein.
Wie konnte Täter vor Polizei fliehen?
In der zentralen Pressekonferenz am Donnerstag lieferte Mario Schwan, Chef der Polizeiinspektion Halle, nur grobe Aussagen, wie der Täter es nach Wiedersdorf schaffte, obwohl er sich bereits auf der Ludwig-Wucherer-Straße in Halle einen Schusswechsel mit der Polizei geliefert hatte. „Er ist mit hoher Geschwindigkeit in eine Seitenstraße gefahren, dadurch haben die Beamten den Sichtkontakt verloren.“
Laut Schwan wurde der Täter erst später auf der Autobahn wiederentdeckt – nun in einem Taxi statt in dem ursprünglichen Mietwagen. Dieser verblieb in Wiedersdorf. Aus Sorge vor Sprengstoff hätten sich die Beamten diesem zunächst nicht genähert, führte der Polizeichef weiter aus. (mz)