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Festtage in der Corona-Krise Festtage in der Corona-Krise: Das ungewöhnliche Ostern

Von Robert Briest 13.04.2020, 19:48
Matthias Deutsch vom Lions Club übergibt den Dankeskuchen ans Klinikum.
Matthias Deutsch vom Lions Club übergibt den Dankeskuchen ans Klinikum. Sieler

Merseburg - Bernhard Halver lässt die Finger über die Tasten der kleinen Orgel fliegen. Die Töne hallen durch das hohe Schiff des Merseburger Doms. Eine Hand voll Besucher lauscht andächtig auf den Holzbänken. Zwei machen Bilder vom Gebäude. „Es ist eine eigenwillige Erfahrung. Es ist ja sonst für mich der Höhepunkt des Jahres“, sagt der Pfarrer, der gewöhnlich um Ostern herum einen Gottesdienst nach dem nächsten halten würden.

Doch 2020 gibt es Messen nur im Internet oder Fernsehen. Die Corona-Verordnungen lassen nichts anderes zu. Halvar und die Domstifter haben sich aber zumindest entschieden am Ostersonntag den Dom für stilles Gebet aufzusperren. Das funktioniere, sagt er: „Es ist ein Kommen und Gehen. So wie wir es uns erhofft haben.“ Kämen zu viele Besucher auf einmal, hätten die „Tempelwächter“ den Auftrag den Dom kurz zu sperren.

Am Karfreitag ist Halvar mit einer kleinen Gruppe einen Kreuzweg durch gegangen. Am Sonntag läuteten die Glocken der Stadt. Ein echter Ersatz für gemeinsame Messen ist das für Halver nicht: „Es ist schon eine Herausforderung. Es macht uns ja als christliche Gemeinschaft aus, dass man anderen Leuten ins Gesicht blickt, Brot teilt. Das geht auf Entfernung nicht.“

Ordnungsamt und Polizei kontrollieren am See

Ordnungsamtsmitarbeiterin Susanne Lemm und der Regionalbereichsbeamte Thomas Mittelbach brauchen nur einen kurzen Blick, um zu sehen, dass am Strand von Burgliebenau alles seine Ordnung hat. Trotz Sonnenschein und Frühlingstemperaturen sind nur weniger Paare am Ufer des Wallendorfer Sees unterwegs.

Lemm und Mittelbach durchstreifen heute zwei Mal die komplette Gemeinde Schkopau, um die Einhaltung der Corona-Verordnung zu kontrollieren. „Bisher gab es keine Probleme“, sagt die Verwaltungsmitarbeiterin. „Die Leute halten sich wirklich dran.“ Sie selbst würden mit Augenmaß kontrollieren. Man befinde sich im Grenzgebiet zu Sachsen, gerade Radfahrer würden nicht immer erkennen, wo die Landesgrenze verläuft.

Oben am Parkplatz hat Pächter Axel Schmiedl allerdings schon die Beobachtung gemacht, dass Autos mit Leipziger Kennzeichen wieder abdrehen, wenn sie ihn sehen. Er vermutet, weil sie Kontrollen fürchten. Generell sei es aktuell deutlich ruhiger am See: „Normalerweise wäre bei dem Wetter der Parkplatz voll.“ Jetzt verlieren sich auf der großen Splitfläche sechs Autos.

Kuchen für Krankenhaus Merseburg

Am Merseburger Klinikum werden am Samstagmorgen Kuchenpakete auf einem Küchenwagen verladen. Der Lions Club würdigt damit die Arbeit der Mitarbeiter, auch die des Krisenstabes, der gerade seine tägliche Sitzung beendet hat. Am Karfreitag hätten sie sich mal den Luxus einer Telefonschalte gegönnt, berichtet Krankenhaushygienikerin Jule Wenke Winkler, ansonsten habe man sich die letzten Wochen immer vor Ort getroffen.

Das Gremium bewertet täglich die Corona-Situation im Haus und im Saalekreis, hält Kontakt zu Gesundheitsamt und Landrat. Das Lagebild am Morgen ist gut: „Es hat sich eine österliche Ruhe eingestellt“, berichtet Winkler.

Derzeit befänden sich zwei Patienten in Intensivbehandlung, einer sei jedoch bereits wieder auf dem Weg der Besserung. Auf der Isolierstation werden aktuell fünf Patienten behandelt. „Zu Hochzeiten hatten wir da 16 Patienten, wobei viele davon Verdachtsfälle waren, bei denen Test negativ ausfielen“, erklärt die Hygienikerin. Allerdings sei der Nachweis bei längerer Infektion schwieriger, weil die Viren nach einigen Tagen in die unteren Atemwege rutschen.

Mittlerweile habe sich im Klinikum eine Routine im Umgang mit Coronafällen entwickelt. „Die Lernkurve ist steil“, sagt Winkler, die die derzeit ruhige Situation, die Pläne, eine zweite Isolierstation zu eröffnen, vorerst unnötig gemacht hat, auch auf die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zurückführt: „Wenn die gelockert werden, wird es wieder mehr Fälle geben.“

Doch auch so hat das Klinikum über Ostern mehr Mitarbeiter im Einsatz als gewöhnlich. Winkler selbst will später mal nach Hause fahren, im Garten entspannen. Für wie lange entscheidet, das nächste Klingeln ihrer Handys, auf dem sie derzeit rund um die Uhr erreichbar ist.

Ostermenü im Plastebeutel: Braunsbedraer Gastwirt in Kurzarbeit

Steffen Warias, Betreiber von Hotel und Restaurant am Braunsbedraer Markt erlebt in diesem Jahr ein Novum. Er hat Ostersonntag und -montag frei. Daran wäre sonst nicht zu denken. Ostern gibt es sonst alle zwei Tage Buffets mit über 100 Gästen, berichtet er. Daran ist derzeit nicht zu denken.

Dafür hat in Warias Küche derzeit eine kleine surrende und zischende Metallbox Konjunktur: der Vakuumierer. Der Koch ist im Shutdown dazu übergegangen seine Gerichte luftdicht verpackt zum Aufwärmen daheim zu verkaufen. Suppen und Rouladen gibt es im Alltagsgeschäft. Zu Ostern hat er nun Lammbraten und Schweinelendenbraten samt Beilagen ins Programm genommen. Die Nachfrage sei groß: „Vom Lammbraten haben wir über 100 Portionen verkauft.“

Wirtschaftlich sei das Vakuumangebot für ihn aber noch nicht mal ein Tropfen, sondern allenfalls ein Tröpfchen auf den heißen Stein. Statt wie sonst zu Ostern fast ausgebucht, stehen die 27 Hotelzimmer leer. Feiern werden abgesagt. Die Belegschaft ist bis auf die Azubis in Kurzarbeit. Anträge auf Wirtschaftshilfen seien gestellt.

Osterhase kommt mit Maske

Geldpakete hat der Osterhase in Burgliebenau nicht dabei. Dafür aber Süßigkeiten für 41 Kinder des Dorfes. Normalerweise würde sie vorher mit den Eltern Körbe basteln und diese dann vor der Feuerwehr verstecken, erklärt die als Ente kostümierte Jana Gudofski. Basteln und Suche fallen in diesem Jahr aus.

Doch mit der Tradition brechen wollte die Ortsbürgermeisterin nicht. Kurzerhand wurden die Körbe vom Vorjahr recycelt und befüllt. Und so touren Gudofski und ihr Osterhase Thomas Nikolai nun am Montag mit Kostüm, Geschichtsmaske, Aufsitztraktor und vollem Anhänger durch Burgliebenau und stellen den Kindern die Körbe in diesem Jahr halt vor die Tür. (mz)

Ausnahmsweise greift zu Ostern Bernhard Halvar selbst in die Orgeltasten.
Ausnahmsweise greift zu Ostern Bernhard Halvar selbst in die Orgeltasten.
Katrin Sieler
Der Vakuumierer ist in der Küche von Steffen Warias in Braunsbedra derzeit im Dauereinsatz. Trotzdem musste er Kurzarbeit für seine Gaststätte beantragen.
Der Vakuumierer ist in der Küche von Steffen Warias in Braunsbedra derzeit im Dauereinsatz. Trotzdem musste er Kurzarbeit für seine Gaststätte beantragen.
Sieler
Der Osterhase trägt Maske.
Der Osterhase trägt Maske.
Briest