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Entwarnung nach Bombenfund in Trebnitz Entwarnung nach Bombenfund in Trebnitz: So hat Einsatzleiter Jürgen Schmidt den Blindgänger entschärft

Von Dirk Skrzypczak und Michael Bertram 09.12.2015, 07:33
Jürgen Schmidt (l.) und Udo Theilemann haben den Blindgänger erfolgreich entschärft. Für Schmidt war es die 100. Bombenentschärfung seit er 1997 als Entschärfer beim Kampfmittelbeseitigungsdienst in  Sachsen-Anhalt begonnen hatte.
Jürgen Schmidt (l.) und Udo Theilemann haben den Blindgänger erfolgreich entschärft. Für Schmidt war es die 100. Bombenentschärfung seit er 1997 als Entschärfer beim Kampfmittelbeseitigungsdienst in  Sachsen-Anhalt begonnen hatte. Dirk Skrzypczak Lizenz

Trebnitz - Die Jubiläumsbombe macht es Jürgen Schmidt nicht leicht. Fast vier Meter tief steckt der britische Blindgänger in einem Acker bei Trebnitz. 250 Kilo wiegt die Bombe, heißt es zunächst. Später am Tag, als die gefährliche Altlast aus dem Zweiten Weltkrieg näher untersucht werden kann, stellt sie sich als 500-Kilo-Bombe heraus. In einem Umkreis von 1.000 Metern müssen die Menschen ihre Häuser verlassen. Es trifft die 141 Einwohner des Merseburger Ortsteils. Auch die nahe Landesstraße in Richtung Bad Dürrenberg muss kurzzeitig abgeriegelt werden. Es ist die erste scharfe Bombe des Jahres im Saalekreis.

Schmidt, 59, wohnhaft in Lubast in der Dübener Heide, kämpft derweil im Schlamm mit seinen Kollegen gegen die Natur. „Es ist heikel. Die Bombe droht im Treibsand abzurutschen. Können wir sie nicht sichern, müssen wir sprengen“, erzählt er. 1997 war Schmidt zum Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) gekommen. „An meine erste Bombe kann ich mich noch gut erinnern. Die war 250 Kilo schwer und steckte in einem Feld bei Bad Dürrenberg.“ 90 seiner 100 Blindgänger hat er im Saalekreis oder in der Zeitzer Region entschärft. „Routine ist das nie. Jede Situation ist anders. Du darfst keine Angst haben, musst aber den Respekt bewahren. Die Bomben werden nämlich immer gefährlicher, je länger sie liegen. Die Zünder verrotten“, sagt der Vater einer Tochter.

Langzeitzünder wurde Sprengmeistern zum Verhängnis

Die Nacht vor dem Einsatz hatte er nur zwei Stunden geschlafen. Aufregung war es nicht, die Schmidt zu schaffen machte. Vielmehr war er in Gedanken Schritt für Schritt die Entschärfung durchgegangen, hatte Eventualitäten eingeplant. Die Familie bekommt davon kaum etwas mit. „Ich erzähle meiner Frau immer, dass Berufskraftfahrer gefährlicher leben als ich. Ob sie das beruhigt, weiß ich nicht. Aber sie hat gelernt, mit der Gefahr zu leben. So wie ich.“ Wie tückisch Blindgänger sein können, zeigte die Explosion einer Fliegerbombe im Juni 2010 in Göttingen. Damals waren drei Sprengmeister des KBD getötet worden. Sie hatten mit ihrer Arbeit noch gar nicht begonnen, als der Blindgänger detonierte. Ein Langzeitzünder war ihnen zum Verhängnis geworden. „Einen der drei Kollegen kannte ich gut. Sie hatten nichts falsch gemacht. Von diesen Gedanken darfst du dich aber nicht leiten lassen“, sagt der Kampfmittelexperte aus dem Landkreis Wittenberg.

Schmidt und sein Kollege Udo Theilemann haben in Trebnitz ein glückliches Händchen. Mit einer Raketenklemme drehen sie per Fernsteuerung den Aufschlagzünder aus der Bombe. Am Nachmittag geben sie dann Entwarnung. Alles ist gut gegangen. „Das ist bei solchen Einsätzen immer die wichtigste Nachricht“, freut sich Benjamin Otto aus dem Sachgebiet für Katastrophenschutz der Kreisverwaltung. Sieben Trebnitzer waren mit Hilfe des Rettungsdienstes evakuiert worden. Wer nicht auf Arbeit war oder bei Freunden unterkam, fand Zuflucht in der Hauptwache der Merseburger Feuerwehr. 25 Beamte der Landesbereitschaftspolizei und Mitglieder der Merseburger Feuerwehr unterstützten den Einsatz.

80.000 Bomben auf Merseburg und Leuna gefallen

Auf Schmidt wartet derweil eine Gratulationstour. Torsten Kresse, Einsatzleiter im KBD aus Magdeburg, hat eine 100 auf ein Stück Pappe gemalt. Vom Landkreis bekommt der 59-Jährige einen Eimer mit diversen Biersorten geschenkt. „Ich bin froh, dass von dieser Bombe kein Risiko mehr ausgeht“, sagt Schmidt. Dabei ist es nur wahrscheinlich, dass der Acker bei Trebnitz noch weitere explosive Hinterlassenschaften unter der Erde versteckt. Fünf Bomben sind auf dem 40 Hektar großen Feld in der Vergangenheit gefunden worden. „Und wir haben erst die Hälfte des Areals sondiert“, so Schmidt. Der Acker im Besitz der Agrargenossenschaft Bad Dürrenberg gehört zu den gefährlichsten Nutzflächen in Sachsen-Anhalt.

Bis März 2016 wird der KBD noch bei Trebnitz nach weiteren Bomben suchen. Dann ist der nächste Bereich an der Reihe. Experten gehen davon aus, dass Ende des Zweiten Weltkriegs 80.000 Bomben auf Merseburg und Leuna gefallen sind. „Wir rechnen damit, dass zehn bis 15 Prozent nicht explodiert sind. Es dauert noch 50 oder auch 100 Jahre, bis wir alle gefunden haben. Wenn es überhaupt gelingt“, sagt Schmidt. Ein Jahr will er seinen Job noch ausüben. Dann denkt er an den Vorruhestand. An ein Leben ohne Bomben und Nervenkitzel. Was er dann vorhat? „Ich will reisen und etwas von der Welt sehen.“ Eine Feier zur 100. Entschärfung gab es nicht. Schmidt hatte Bereitschaft. Für den Fall, dass der nächste Blindgänger auftaucht. (mz)

Am Mittwochmorgen hat das Freilegen der Bombe auf einem Acker bei Trebnitz begonnen. Der Blindgänger liegt in 3,5 Meter Tiefe.
Am Mittwochmorgen hat das Freilegen der Bombe auf einem Acker bei Trebnitz begonnen. Der Blindgänger liegt in 3,5 Meter Tiefe.
Dirk Skrzypczak Lizenz
In Trebnitz wird am Mittwochnachmittag eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft.
In Trebnitz wird am Mittwochnachmittag eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft.
dpa/symbol Lizenz