Engel aus der Fürstengruft Engel aus der Fürstengruft : Liebe auf den zweiten Blick

Merseburg/Potsdam - Das Engelsgewand ist so hauchdünn und angegriffen, dass es scheint, als würde ein Windhauch reichen, um es brechen zu lassen. „Zum ersten Mal hab’ ich den Engel gesehen, als er 2010 an unsere Fachhochschule für Konservierung und Restaurierung in Potsdam kam, gemeinsam mit anderen Objekten aus der Fürstengruft“, erinnert sich Maria Willert.
Damals sei er in einem erbarmungswürdigen Zustand gewesen, schwer beschädigt und mit einem abgebrochenen Flügel. Der Engel, der den Sarg des Herzogs Heinrich von Sachsen-Merseburg (gestorben 1738) zierte, kehrte am Mittwoch in die Fürstengruft des Merseburger Domes zurück. Bis dahin war es ein schwieriger Weg.
Facharbeit beschäftigte sie sich mit der Herstellungstechnik des Engels
„Keiner meiner Kommilitonen wollte sich um die Figur kümmern - eben weil sie so beschädigt war. Doch mit der Zeit war das eine ganz tolle Beziehung zwischen mir und meinem Engel“, lächelt die 33-Jährige, die viel Zeit und Herzblut in die Restaurierung gesteckt hat. „Es war nicht Liebe auf den ersten, aber auf den zweiten Blick.“
In einer ersten Facharbeit beschäftigte sie sich mit der Herstellungstechnik der 30 Kilo schweren Figur aus einer Zinnlegierung. In ihrer Diplomarbeit 2012/13 entwickelte sie dann ein Konservierungskonzept. „Und dann habe ich eine Versuchsreihe gestartet, um herauszufinden, wie und mit welchen Materialien ich möglichst schonend arbeiten kann.“
Engel als ein Abbild von Heinrichs Frau Elisabeth
Der Engel, der ein Abbild von Heinrichs Frau Elisabeth (gestorben ebenfalls 1738) sein soll, war ursprünglich mit Holzspänen gefüllt, die sich im Laufe der Zeit zersetzt haben und dazu führten, dass das Material der Figur korrodierte und das Gewicht nicht mehr halten konnte. „Die Füße des Engels standen zwar noch auf dem Sarg, aber der Körper war nach hinten gefallen, der Rücken war eingedrückt, und so hat er lange gelegen.“ Der Engel habe keine Schienbeine mehr, ein halber Flügel und ein Arm fehlen.
Um die teils nur zwei Millimeter dünnen Wände der Figur am Rücken wieder zu richten und den abgebrochenen Flügel wieder in Position zu bringen, hat sich Maria Willert einiges einfallen lassen. „Ich habe dem Engel zuerst eine Stützschale gebaut, in der der Oberkörper auf dem Bauch liegen konnte“, erzählt sie.
Engel hat wieder Platz genommen
Um den Rücken wieder in Form zu bringen, habe sie einen Traktorreifen sehr vorsichtig und über eine lange Zeit aufgepumpt. Und als beste Heilmethode für die Flügel entpuppte sich ein Verfahren, bei dem sie zunächst einen Blechstreifen als Stütze hineinsteckte und dann Plastiktüten mit Epoxidharz füllte, der sich langsam ausdehnte und den Flügeln wieder Spannung verlieh.
Jetzt hat der Engel seinen Platz wieder eingenommen. Domstiftsarchivar Markus Cottin lächelt glücklich. „Jetzt ist der Sarg von Heinrich wieder vollständig.“ (mz)