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Schulsozialarbeit Die Gretchenfrage im Saalekreis

Die meisten Fraktionen sind von der Notwendigkeit überzeugt. Zusätzliche Stellen kollidieren aber mit dem drohenden Millionendefizit des Kreises.

Von Robert Briest 29.06.2022, 16:21
Teilnehmer einer Demonstration halten ein Plakat mit der Aufschrift «Schulsozialarbeit» hoch.
Teilnehmer einer Demonstration halten ein Plakat mit der Aufschrift «Schulsozialarbeit» hoch. Foto: Jens Büttner/dpa

Merseburg/MZ - Das Schuljahr biegt auf die Zielgeraden ein. Schüler können sich auf die nahenden Ferien freuen, für einige Beschäftigte bringt das aber Unsicherheit. Denn mit der bisherigen Förderperiode laufen Ende Juli die Verträge vieler Schulsozialarbeiter aus. Manche wissen bis heute nicht, ob ihre Stelle im neuen Schuljahr überhaupt noch existiert. Das Thema beschäftigt seit Monaten die Gremien des Saalekreises. Denn erst sollten die Kreise 20 Prozent der Kosten selbst tragen, dann sagte das Land zu, dass es mit Hilfe von EU-Mitteln doch die gesamten Kosten trägt – allerdings nach aktuellem Stand nur für 31 Stellen. Bisher gibt es aber Schulsozialarbeiter an 36 Schulen im Saalekreis.

Für großen Unmut sorgte dort zuletzt auch, dass eine Landesjury die Prioritätenliste des Jugendhilfeausschusses überstimmte. Neue Schulen bekamen Stellen, fünf gingen plötzlich leer aus. Am kommenden Mittwoch entscheidet der Kreistag, über einen SPD-Antrag, der vorsieht, auch diese Schulen, dann aber auf Kosten des Kreises, mit Schulsozialarbeitern zu versorgen. Konkret geht es dabei jeweils um die Grundschulen Schmon, Mücheln, Schkopau und Hohenthurm. Das Gymnasium Wettin kann wohl über Landesmittel bedacht werden.

In den Ausschüssen des Kreises fand der SPD-Vorstoß bis jetzt Mehrheiten. Mit Ausnahme von Teilen der AfD sehen alle Fraktionen die Notwendigkeit der Schulsozialarbeit. Nichtsdestotrotz gab es vor allem im Finanz- und im Kreisausschuss ausführliche Debatten, denn die Stellen würden den Kreis bis 2024 laut Antrag eine halbe Million Euro kosten. Der steuert in den kommenden Jahren aber auf zweistellige Millionenverluste zu.

„Die Frage ist, können wir uns das leisten oder nicht?“, brachte Querfurts Bürgermeister Andreas Nette, der für die SPD-Fraktion den Finanzausschuss leitet, das Problem auf den Punkt. Die offizielle Linie der Verwaltung ist derzeit: lieber nicht. Kämmerin Kathrin Liebe formulierte das so: „Die Notwendigkeit der Schulsozialarbeit sehen wir alle, aber alles, was wir 2022 nicht einsparen, fehlt uns in den nächsten Jahren.“

Jugendamtsleiterin Antje Springer war dagegen in den Sitzungen anzumerken, dass sie hier zwischen den Stühlen sitzt. Zwar betonte sie immer wieder die finanziellen Zwänge des Kreises, aber auch, dass sie sich fachlich Schulsozialarbeit an jeder Schule wünschen würde. Denn auch wenn der Kreistag noch die vier oder fünf zusätzlichen Stellen genehmigt, ist der Bedarf bei Weitem nicht gedeckt. Bei einer Abfrage des Kreises hatten mehr als 50 Schulen solchen angemeldet.

Für Aufregung sorgt seit vergangener Woche zudem die Befragung von Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) im Landtag. Denn entgegen der bisherigen Linie des Ministeriums hörten viele Kreistagsmitglieder dort heraus, dass nun doch Stundenreste von Teilzeitstellen zu neuen Stellen gebündelt werden können. „Dann könnte man aus 30 Stellen vielleicht 35 machen“, hoffte Günter Sachse (SPD) im Kreisausschuss.

Doch bis zum Jugendhilfeausschuss an diesem Montag gab es noch keine Klarheit. „Bisher gibt es nur die mündliche Aussage“, sagte dessen Vorsitzender Michael Hayn (CDU). Bis zum Kreistag am 6. Juli wünscht er sich vom Ministerium eine schriftliche Zusage. Das erklärte auf die MZ-Anfrage, ob Teilzeitreste gebündelt werden könnten: Für die Schulsozialarbeit seien die örtlichen Träger der Jugendhilfe, also die Kreise, zuständig, die nach ihren jugendhilferechtlichen Prioritäten in eigener Zuständigkeit gestalten, und damit auch über Teilzeitmodelle entscheiden könnten.

Ob der Unsicherheit hat die SPD-Fraktion ihren Antrag mittlerweile modifiziert und eine Verfallsklausel eingebaut, sollten die vier Schulen über die Landesförderung versorgt werden können. Fraktionschef Patrick Wanzek will im Kreistag aber auf alle Fälle abstimmen lassen. Es gehe um ein Zeichen an die Mitarbeiter. Viele von ihnen, so hatte Springer berichtet, suchten ohnehin schon nach anderen Stellen.