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"Wir sind ein Geisterhotel" Beherbergungsverbot wegen Corona: Was die größte Sorge Hotels

Von Robert Briest 26.10.2020, 17:00
Der Hoteldirektor Eric Miersch und die Geschäftsführerin Antje Hoffmann vom Sky-Hotel in Merseburg
Der Hoteldirektor Eric Miersch und die Geschäftsführerin Antje Hoffmann vom Sky-Hotel in Merseburg Katrin Sieler

Merseburg/Kötschlitz - Er habe sogar schon Gäste gehabt, die an der Rezeption standen, ihre Koffer wieder nehmen und abreisen mussten, weil sie vorher nicht geschaut hätten, schildert Kai-Ulf Sauske, Chef des Schlosshotels Schkopau, die Auswirkungen des Beherbergungsverbotes für touristische Gäste aus Risikogebieten. Die Landesregierung hatte sich am Dienstag entschieden, daran festzuhalten, auch wenn in vielen anderen Ländern entsprechende Regeln von Politik oder Gerichten zurückgenommen werden. Sauske hat die Entscheidung aus Magdeburg nicht überrascht: „Wir gehen momentan immer vom Schlechtesten aus. Wir haben eh keine Chance. Wir können Briefe und Mails schicken, sind aber machtlos.“

Zwei Nutzergruppen in Hotels: Vertreter und Arbeiter sowie Touristen

So kommen seine Gäste derzeit nur aus den Städten und Landkreisen, die in Visualisierungen noch nicht mit Rot dargestellt werden. Meist seien es Kurzurlauber, die versuchten, die Herbstferien zu nutzen und sich die Gegend anschauen wollen. „Die Leute wollen reisen“, sagt Sauske.

Bei Antje Hoffmann klingt das anders. Sie ist die Geschäftsführerin des Sky-Hotels in Merseburg. Normalerweise kennen die 180 Zimmer dort zwei Nutzergruppen. Wochentags kommen die Vertreter und Arbeiter, vor allem jene, die zum Chemiestandort nach Leuna wollen, am Wochenende die Touristen. Letzteres dürfe man nicht unterschätzen. Es gebe viele, die sich die Region anschauen wollen.

Hotelbesitzer erwarten düstere Monate mit Abweisung von Touristen aus Risikogebieten

Normalerweise sei das Hotel daher am Wochenende gut gebucht. „Doch jetzt sind wir am Wochenende ein Geisterhotel“, berichtet die Chefin. Buchungen würden storniert, oder das Hotel tue dies. Neue Anfragen kämen nicht. „Das Beherbergungsverbot ist derzeit unser größtes Problem“, resümiert Hoffmann. Auf die Frage, ob sie Verständnis für die Maßnahme habe, antwortet sie nicht mit ja: „Ich denke man kann dem Gast Selbstverantwortung zugestehen. In unserem Haus gilt seit 25. März Maskenpflicht. Die Gäste halten sich daran.“ Ihre größte Sorge seien die Arbeitsplätze. „Wenn wir die Mitarbeiter wieder in Kurzarbeit schicken müssten, wäre das eine Katastrophe.“

Auch Michael von der Wetter, Leiter des Holiday Inns in Kötschlitz, sieht auf sein Haus eher düstere Monate zukommen. Er befindet sich in der kuriosen Situation, dass er touristische Gäste aus Risikogebieten abweisen muss. Das Nachbarhotel einen Kilometer südöstlich auf sächsischer Seite jedoch nicht. „Das ist schon ein Wettbewerbsnachteil, aber ein kleiner.“ Gäste aus Leipzig würden eher herüberschwappen, wenn dort die Hotels voll sind – bei Messen oder großen Fußballspielen etwa. Die fehlen dieses Jahr ohnehin.

Drastische Buchungsrückgang, weil Firmen Dienstreisen ihrer Mitarbeiter minimieren

Das Holiday Inn trifft das Beherbergungsverbot auch deshalb weniger, weil der Tourismus hier eine untergeordnete Rolle spiele. Von der Wettern berichtet daher von wenigen Stornierungen. „Unser Hauptgeschäftsfeld sind eigentlich Geschäftsreisende.“

Doch da kommt mittlerweile ein weiteres Problem hinzu, das die Übernachtungsbetriebe der Region trifft. „Wir haben seit vergangener Woche einen drastischen Buchungsrückgang, weil die Firmen versuchen, die Dienstreisen ihrer Mitarbeiter zu minimieren“, berichtet von der Wettern – unisono mit den Kollegen. Er rechnet daher damit, dass sein Haus über das gesamte Jahr gesehen nur die Hälfte der Belegung von 2019 erreicht.

Derzeit sei man noch bei 60 Prozent. Wie auch in Schkopau und Merseburg hatten sich die Buchungen nach dem Einbruch im Frühjahr im Juli, August und September gut erholt. Selbst das Holiday Inn profitierte vom gestiegenen Inlandstourismus, weil sich Reisende auf dem Weg von Nord nach Süd und Süd nach Nord eine Zwischenübernachtung gönnten.

Doch jetzt geht der Trend wieder deutlich in die Gegenrichtung. „Wir merken jetzt schon, dass Weihnachten und Silvester komplett storniert wird“, sagt Schlosshotel-Chef Sauske. Man könne jetzt nur kurzfristig auf die Entwicklungen reagieren, planen sei nicht mehr möglich. (mz)