AZV Merseburg in Verhandlungem AZV Merseburg in Verhandlungem: Zahlen Bürger ab 2019 weniger fürs Abwasser?
Merseburg - Rekordbesucherzahl bei der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Merseburger Stadtrates. Neben einigen Stadträten waren es vor allem Bürger und Firmenvertreter aus Merseburg und Schkopau, die dieses Thema interessierte: Nämlich - wie geht es mit der Abwasserentsorgung im Bereich des Abwasserzweckverbandes (AZV) Merseburg weiter? Und: Könnten die Anschlussnehmer vielleicht schon ab Januar 2019 Gebühren sparen?
Nimmt der AZV das Angebot eines Entsorgers an oder wird tatsächlich für rund 20 Millionen Euro eine eigene Kläranlage gebaut?
Möglicher neuer Geschäftspartner für AZV Merseburg: Gelsenwasser stellt sich vor
Im einzigen Tagesordnungspunkt der Sitzung stellte sich die Firma Gelsenwasser vor, die gerade am Montagmorgen die Verträge über den Kauf der Industriekläranlage von Dow in Schkopau hatte notariell beglaubigen lassen. Damit wäre Gelsenwasser ab Januar ein möglicher künftiger Geschäftspartner des AZV nachdem der sich mit Dow überworfen hatte und am Ende vor Gericht gelandet war.
„Das war Erpressung“, was Dow mit dem AZV veranstaltet habe, sagte Merseburgs Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU), der gleichzeitig AZV-Verbandsvorsitzender ist.
Tochterfirma AWS legt es auf langfristige Partnerschaft an
Gelsenwasser, respektive die für Abwasserentsorgung zuständige Tochter AWS, gab sich transparent und veröffentlichte an dieser Stelle auch das Angebot, das man dem AZV unterbreitet hatte. Es lautet: 0,93 Euro pro eingeleiteten Kubikmeter Abwasser ab dem 1. Januar 2019. Sollte der AZV dieses Angebot nicht annehmen, würden die heutigen Einleitpreise von 1,55 Euro bis Ende 2020 gelten.
Ab 2021 würden dann 2,02 Euro pro Kubikmeter fällig. Gelsenwasser will für das neue Angebot eine Vertragslaufzeit von 20 Jahren mit der Option auf Verlängerung anbieten. „Wir legen Wert auf längerfristige Partnerschaften“, sagte AWS-Geschäftsführer Jochen Krüger.
Und man wäre sogar bereit über eine längere Grundvertragslaufzeit zu verhandeln, wenn es hier nicht gesetzliche Regelungen gäbe, die dem entgegenstünden.
Neues Klärwerk oder neuer Geschäftspartner? AZV Merseburg in der Zwickmühle
Gelsenwasser ist ein Unternehmen, das von Kommunen und der Industrie getragen wird. Dem AZV Merseburg bietet man sogar an, Gesellschafter oder Miteigentümer zu werden, so dass es einen Sitz in der Region geben würde und somit hier auch die Steuern gezahlt würden.
Der AZV muss sich nun also überlegen, ob er seine Klärwerksplanungen in eine Schublade legt und dieses Angebot annimmt. Ein Problem ist die Tatsache, dass der AZV bereits rund zwei Millionen Euro für Planungen ausgegeben hat, die man sich für den Fall, dass die eigenen Pläne begraben würden, von den Gebührenzahlern zurückholen müsste. Doch auch hierfür hat Jochen Krüger eine Vorschlag: „Über die Planungskosten von zwei Millionen kann man sich ja unterhalten.“
Ohne Abwasserzeckverband Merseburg wäre Industriekläranlage völlig überdimensioniert
AWS beziehungsweise Gelsenwasser will den AZV als Kunden also offenbar unbedingt behalten. Kein Wunder - denn ohne den AZV wäre die ohnehin nicht ausgelastete Industriekläranlage oder auch Zentralkläranlage völlig überdimensioniert, was vermutlich auch zu erhöhten Kosten für die Industriekunden im Value Park führen würden.
Das wiederum würde die Attraktivität des Industrieparks senken, die Chance auf Aufträge vermindern und rund 3.500 Arbeitsplätze gefährden. Ralf Irmert, Geschäftsführer von Kautschuk-Produzent Trinseo plädierte dafür, das vernünftige Angebot in Erwägung zu ziehen. Stadtrat Uwe Reckmann (SPD) wies auf die zu erreichende Nachhaltigkeit von Investitionen hin und gab zu bedenken, dass es keinen Sinn mache, nur wenige hundert Meter voneinander entfernt zwei Kläranlagen zu haben und durch Bautätigkeiten und ähnliches die Umwelt zusätzlich zu belasten.
Stimmen zum Deal des AZV mit Gelsenwasser: „Wir müssen mehr als Region denken“
„Wir müssen mehr als Region denken“, fordert Roland Striegel (Fraktion SPD/Grüne). Merseburg profitiere doch auch davon, wenn es der Industrie in Schkopau gut gehe. Und noch etwas ist ihm wichtig: „2019 sind Kommunalwahlen. Von verschiedenen Leuten wird immer wieder behauptet, dass bestimmte Entscheidungen in Hinterzimmern ausgekungelt werden.“ Er sei deshalb froh, dass hier Öffentlichkeit hergestellt worden sei. „Wir müssen diesen Menschen sagen, dass nichts heimlich entschieden wird, aber wir müssen ihnen auch sagen, dass sie sich dafür interessieren müssen.“
OB Jens Bühligen sagte der MZ, dass die AZV-Verbandsmitglieder und die Bürgermeister der Mitgliedskommunen Braunsbedra, Mücheln, Bad Lauchstädt und Schkopau das Angebot von Gelsenwasser seit zwei Monaten kennen. Nun müssten aber auch die Räte informiert werden. „In Merseburg wird es zu dem Thema eine Sondersitzung des Stadtrates geben, bei der Gelsenwasser nochmals anwesend sein wird.“ Aktuell wird das Angebot von Gelsenwasser geprüft. In der Stadtratssitzung am 15. November will sich der OB dazu äußern. (mz)