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Digitale Suchthilfe für alle Awo startet anonyme Online-Beratungsplattform

Die neue Plattform "DigiSucht" ermöglicht bundesweit kostenlose Suchtberatung per Chat, Mail oder Video - auch im Saalekreis. Geschulte Berater unterstützen Betroffene bei Themen wie Alkohol, Drogen und Glücksspiel durch ein datensicheres System.

Von Anke Losack 15.11.2024, 09:00
Suchtberaterin Ulrike Linke berät auch digital.
Suchtberaterin Ulrike Linke berät auch digital. (Foto: Anke Losack)

Querfurt/MZ. - Um Kontakt zu Suchtberatungsstellen vom Awo-Regionalverband Halle-Merseburg herzustellen oder diesen zu halten, müssen Betroffene und Angehörige nicht mehr unbedingt in die Vor-Ort-Beratung kommen. Sie habe zum Beispiel schon mal mit jemandem während dessen Mittagspause in einer Lagerhalle eine Online-Beratung durchgeführt, berichtet Suchtberaterin Ulrike Linke. Oder mit einer Klientin, die im Krankenhaus lag und die Beratung weiter in Anspruch nehmen wollte, auf digitalem Weg kommuniziert. Die Internet-Beratungsplattform „DigiSucht“ macht’s möglich.

Mail, Chat oder Videoanruf

Seit diesem Jahr ist „DigiSucht“ in vielen Bundesländern als Ergänzung des analogen Suchtberatungsangebotes zugänglich. Das Programm bietet Online-Beratung zu allen Fragen rund um Themen wie Drogen, Alkohol, Medienkonsum, Essstörungen und Glücksspiel. Man kann sich anonym und kostenfrei registrieren. Durch die Angabe der Postleitzahl wird der Kontakt zu Beratungsstellen in der Nähe möglich, für den Saalekreis und Halle zu denen der Awo Halle-Merseburg. Vier hauptamtliche Mitarbeiter sind hier für die digitalen Suchtberatungen zuständig.

Eine der Mitarbeiterinnen ist Ulrike Linke. Online-Beratungen führe sie bereits seit 2012 durch, zunächst war das für Eltern suchtgefährdeter oder abhängiger Kinder und Jugendlicher („Elsa“) möglich, sagt die Suchtberaterin, die schon viele Jahre bei der Awo tätig ist. „Elsa“ sei nun bei „DigiSucht“ mit integriert. Das neue Programm biete neben dem Kontakt zu den Beratern einige weitere Hilfsmittel, erklärt Linke und nennt beispielsweise das Konsumtagebuch. „Viele unserer Klienten führen es, wenn sie zum Beispiel ihr Konsumverhalten beobachten wollen.“ Bei der digitalen Variante kann das Tagebuch auch für die Berater freigeschaltet werden. „Wir können dann beim nächsten Termin darauf Bezug nehmen“, so Linke.

Das Programm laufe über einen geschützten Server, der Datenschutz sei gewährleistet, sagt die Suchtberaterin, die wie ihre Kollegen extra eine Schulung absolviert hat. Dazu gehörten unter anderem auch Übungen der Kommunikation, denn die digitale Beratung ist anders als die Vor-Ort-Beratung. „Man muss sich bewusst sein, dass es das geschriebene Wort ist. Man verzichtet komplett auf Mimik und Gestik und hört auch nichts an der Stimmlage.“

Die Beratungen starten in der Regel schriftlich. „Die meisten schreiben uns, zum Beispiel: ,Hallo, ich habe ein Problem mit Alkohol. Ich möchte was verändern.’“ Es könnte gleich zu Beginn ein Termin gebucht werden, doch das täten die wenigsten, so Linke, die Ratsuchenden unter anderem die Angebote von „DigiSucht“ vorstellt. Beraten werden kann beispielsweise per Mail, Chat oder Videoanruf – und das zu flexiblen Beratungszeiten.

Ziele und Finanzierung

Eines der Ziele von „DigiSucht“ ist, Ratsuchende zu erreichen, die bislang noch nicht den Weg in eine Suchtberatungsstelle gesucht haben. Eine Sucht ist oftmals mit Scham belastet. Mit Hilfe der neuen Kommunikationsmöglichkeit können auch Entfernungen überbrückt werden. Zum Beispiel ist für einen Montagearbeiter oder für einen Studenten beim Auslandssemester der Kontakt zum Berater vor Ort weiter möglich. Und natürlich soll „DigiSucht“ auch jüngere Ratsuchende ansprechen.

Auf das neue Angebot machen Awo-Mitarbeiter mit Flyern und Plakaten beispielsweise bei Ärzten, in Krankenhäusern und in Schulen aufmerksam. „Zu jeder Veranstaltung, zu der wir gehen, nehmen wir sie mit“, sagt Linke. Gerade bei Veranstaltungen merken die Berater Resonanz auf das neue Angebot. Kürzlich stellte Linke „DigiSucht“ in einer Schule vor. Kurz darauf meldeten sich zwei Schüler schriftlich über das Online-Programm. „Da war klar“, sagt Linke, „sie wollen nicht in die Vor-Ort-Beratung.“

Finanziert wird das Programm über Mittel aus dem Corona-Sondervermögen. Besonders unter Pandemiebedingungen hatte sich gezeigt, dass Suchtberatung kontinuierlich angeboten werden muss. Es werde manchmal verkannt, sagt Linke, welche Folgen es haben kann, wenn jemand eine Suchtproblematik hat und keine Unterstützung bekommt. Der Betroffene „fällt so vielleicht aus dem Arbeitsprozess heraus oder wird vielleicht gekündigt“.