Autoverwertung in Merseburg Autoverwertung in Merseburg: Die letzte Fahrt des Schrottautos

Merseburg - Kurz nach 9 Uhr kommt der „Leichenwagen“ mit Anhänger. Der Patient - ein weinroter Ford Escort - ist zwar offiziell noch am Leben, aber bei einem Menschen würde man sagen, er ist bereits hirntot. Fünf Jahre lang stand das Auto unangetastet in einer Garage im Westen von Merseburg. Und das sieht man ihm auch an: Die Motorhaube geht nicht mehr richtig zu. Das Auto springt nicht an. Die Bremsen sind festgerostet, die Batterie leer.
Deshalb ist jetzt Reiner Plack da, der den Ford auf seine letzte Reise in Richtung Schrottpresse schickt. Plack hat eine Autoverwertung und Kfz-Werkstatt im kleinen Ort Blösien. Wenn in Merseburg ein Autoleben zu Ende geht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es auf seinem Hänger landet, groß.
Der weinrote Ford gehört Holger Tänzer, der ihn seit einem Unfall vor fünf Jahren nicht mehr bewegt hat. Zwar sagt er, die Trauer über den Abschied halte sich in Grenzen, doch „ein Auto ist auch ein Stück Lebensgeschichte“, meint der 53-Jährige.
Der Ford hatte seinen Besitzer schon nach Italien und Zehntausende Kilometer quer durch Deutschland gebracht. „Ich war immer zufrieden. Er hat mich nie im Stich gelassen“. In seiner Stimme liegt ein Hauch Melancholie. Doch es hilft nichts - das Auto kommt weg. Mit auf den Schrottplatz will Tänzer dann auch nicht fahren. „Das muss ich mir nicht antun.“ Die Verladung ist nicht ganz einfach. Plack muss durch Schläge mit einem wuchtigen Hammer die festsitzenden Bremsen lösen. Die Seilwinde am Anhänger ächzt, als das Auto Stück für Stück aus der Eck-Garage gezogen wird. Die platten Reifen schleifen über den Boden.
Tränen beim Abschied vom Auto seien selten geworden, sagt Autoverwerter Plack. Nur zu Wendezeiten hätten sich Fahrer von ihrem geliebten Trabi so schwer getrennt. Als der Anhänger vom Garagenhof fährt, ruft Tänzer seinem Auto auf dem Weg in die Presse einen letzten Satz hinterher: „Mach’s gut Kleiner!“
So richtig kann sich aber auch Reiner Plack nicht über den Ford freuen. Er schimpft darüber, dass Schrott derzeit kaum mehr Geld einbringt und jedermann Ersatzteile im Internet an- und verkaufen kann. „Der Schrottpreis ist im Keller. Vor einigen Jahren gab es 110 Euro pro Tonne“, erinnert sich der 60-Jährige. Heute liege der Preis bei gerade einmal 15 Euro.
Harte Zeiten für einen Autoverwerter. Trotzdem hat er den Wagen, der nun in der Werkstatt in Blösien steht, für 100 Euro angenommen. Das Geld zahlte der Autoverkäufer, nicht Plack. Vor ein Paar Jahren war das anders.
Zwei Monteure lassen Öl, Benzin und Bremsflüssigkeit ab. Genau wie die Reifen und die Batterie müssen die Schadstoffe fachgerecht entsorgt werden. Das ist für Plack nicht billig. Goldene Zeiten gab es 2009, als Hunderttausende Autos abgegeben und teils verschrottet wurden.
„Wir haben 1.500 Autos im Jahr während der Abwrackprämie angenommen“, sagt Elke Plack, die auch auf dem Schrottplatz ihres Mannes arbeitet. Heute seien es gerade einmal etwa 70 im Jahr. Doch die Abwrackprämie hatte für den Betrieb auch negative Folgen: Weil zeitweise mehr Autos ankamen, als sie verwerten konnten, landeten viele Fahrzeuge direkt in der Presse. Deshalb fehlen jetzt Ersatzteile für bestimmte Jahrgänge.
Sind genug Autos ausgeschlachtet und von Öl und Benzin befreit, ist ihre Zeit abgelaufen. Regelmäßig kommt eine mobile Schrottpresse, die die Wagen in handliche Pakete zusammenquetscht. Auch Holger Tänzers weinroter Ford wird in ein paar Wochen so enden. (mz)

