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Zweiter Weltkrieg in Köthen Zweiter Weltkrieg in Köthen: Neffe besucht Absturzort des Onkels

Von Ute Hartling-Lieblang 10.02.2014, 21:16
1992 in Cösitz: Das Foto zeigt Robert Hittel (M.) mit den MZ-Mitarbeitern Horst Rudweleit, Fotograf, und Ute Hartling, Redakteurin.
1992 in Cösitz: Das Foto zeigt Robert Hittel (M.) mit den MZ-Mitarbeitern Horst Rudweleit, Fotograf, und Ute Hartling, Redakteurin. Rebsch Lizenz

Köthen/MZ - Es war im September vor 22 Jahren, als der Amerikaner Robert Hittel, Bauunternehmer aus Florida, an die Redaktionstür der Mitteldeutschen Zeitung in Köthen klopfte und die Geschichte des Absturzes eines Bombers im Zweiten Weltkrieg erzählte, in dem er als Heckschütze saß. Die MZ fuhr damals mit ihm an die vermeintliche Absturzstelle in der Nähe von Köthen und schrieb seine Geschichte auf. Das löste 1992 eine ganze Flut von Leserzuschriften aus.

Vor kurzem erreichte die Redaktion ein Schreiben aus Idaho in den USA. Der Absender ist Jerry Beton, ein Neffe des inzwischen verstorbenen Robert Hittel, der der Redaktion mitteilt, dass er gern nach Köthen kommen würde, um die Recherchen seines Onkels fortzusetzen und sich mit Zeitzeugen zu treffen.

Am 30. Mai 1944 befand sich Hittel, damals 22-jährig, an Bord einer Boeing 17, die zur 381er Bombergruppe gehörte. Das Ziel war Dessau. „Mein Auftrag war, eine nahe gelegene Benzinfabrik zu bombardieren“, schilderte Hittel damals. Doch kurz vor Dessau wurden die Amerikaner von deutschen Jagdfliegern angegriffen und getroffen. Hittel konnte mit dem Fallschirm abspringen, bevor die B-17 explodierte. Doch das Schicksal der Crew ließ ihn nicht los. Der Absprung muss in der Nähe von Cösitz erfolgt sein, wie aus den weiteren Schilderungen hervorgeht. Ein Trupp Landarbeiter, mit Mistgabeln bewaffnet, habe ihn damals auf das Rittergut derer von Trotha geführt, berichtete der Sergeant. Hier habe er sich unter einem großen Baum ausgeruht.

Später sei er in einem Wagen mit offenen Verdeck nach Köthen gebracht worden. Ein großer stattlicher Herr, Hittel hielt ihn für den Baron, und sein Jagdaufseher brachten ihn zum Fliegerhorst, damals Stützpunkt eines deutschen Luftnachrichtenregiments. Dort saß Hittel einige Tage in einer Arrestzelle, bevor er nach Wetzlar ins Kriegsgefangenenlager überführt wurde, soweit die Geschichte.

Mehr über das Schicksal der Kameraden erfahren

Robert Hittel war 1992 nach Cösitz gekommen, um die Spuren dieses Absturzes zu verfolgen, und in der Hoffnung, etwas über das Schicksal seiner vermissten Kameraden zu erfahren. In Cösitz hat er 1992 mit Zeitzeugen gesprochen, darunter auch mit Hans-Ullrich von Trotha, Adoptivsohn des damaligen Barons. „Wir haben uns schon so lange auf einen Besuch“ gefreut, heißt es in der E-Mail von Jerry Beton und seiner Frau, beide um die 69 Jahre alt, die im Oktober nach Köthen kommen wollen, um den Spuren ihres Onkels zu folgen. Ein Besuch im Cösitzer Park gehöre unbedingt zum Besuchsprogramm, schreiben sie.

Die MZ bedankt sich bei den Hobby-Forschern Walter Waiss und Uwe Kühnapfel für ihre Unterstützung. Was 1992 nicht möglich war, nämlich den genauen Absturzort der Boeing 17 und das Schicksal der Crew, zu der Robert Hittel gehörte, zu ermitteln, ist mit ihrer Hilfe möglich geworden. Die Besatzung der B-17 bestand aus neun Mann. Beim Abschuss am 30. Mai 1944 geriet die Tragfläche in Brand, die Tragflächentanks explodierten, während die Mannschaft absprang. (uli)

Die MZ sprach darüber mit Otto Berger, gebürtiger Cösitzer, der heute in Wolfen lebt, sich aber im Cösitzer Parkverein engagiert und sich um die Chronik des geschichtsträchtigen Ortes kümmert. Der Park wurde 1874 im englischen Stil angelegt. Besondere Attraktion ist die über 370 Jahre alte Blutbuche, unter der auch Robert Hittel saß: Einmal im Mai 1944, das zweite Mal im Herbst 1992. Sofort erklärte sich Berger bereit, eine Führung für die beiden Amerikaner zu organisieren, und auch Hans-Ullrich von Trotha würde sich über ein Treffen freuen.

Interessant für die Nachkommen von Robert Hittel dürfte sein, dass die Vorkommnisse vom Mai 1944 und das Schicksal der 381. Bombergruppe inzwischen gut dokumentiert sind, wie die MZ von den Hobby-Forschern Walter Waiss, Archivar der Traditionsgemeinschaft Boelcke e.V, und Uwe Kühnapfel, im Hauptberuf Leiter der Arbeitsgruppe Simulation und VR-Anwendungen am Karlsruher Institut für Technologie, erfuhr. Beide unterstützten die MZ bei ihrer Recherche und machten ihr das Tagebuch der 533. Bomberstaffel, der Robert Hittel angehörte, zugänglich.

Anflug auf Junkerswerke in Tagebuch geschildert

In dem Tagebuch wird auf Englisch geschildert, wie am 30. Mai 1944 der Anflug auf die Dessauer Junkerswerke erfolgte. Wobei Kühnapfel erklärt, dass es durchaus üblich war, dass sich die Staffel nach dem Anflug auf das Hauptziel aufsplittete und gesonderte Ziele anflog. Das könnte erklären, warum Hittel angab, das Ziel seiner Crew sei eine Benzinfabrik gewesen. Kühnapfel schätzt, dass damit die Raffinerie Leuna-Merseburg gemeint war.

Im Tagebuch wird beschrieben, dass sich die 533. Staffel ihren Weg durch einen „Himmel voller Flakfeuer“ bahnte. Kommandeur Col William M. Gross berichtete von „feindlichen Angriffen im Umkreis von 100 Meilen.“ Die Boeing 17 sei von hinten beschossen worden. Gegen 12 Uhr seien zwei feindliche Jäger durch die Fortress-Gruppe getobt. Eine Granate traf die elektrische Batterie der Führungsmaschine, worauf sich Bugkanzel und Cockpit mit Rauch füllten, der die Sicht verdeckte. Trotz der deutschen Jägerangriffe habe die amerikanische Führungsmaschine ihr Ziel erreicht und eine Bombenladung auf das Ziel abgeworfen. Die heftigen feindlichen Attacken hätten letztlich aber ihren Tribut gefordert.

Über die Besatzung der Boeing 17, in der Robert Hittel flog, heißt es: „crashed: Piethen bei Köthen, durch Jäger abgeschossen“. Von der neunköpfigen Besatzung überlebten neben Hittel noch vier Insassen, die anderen sind gefallen. „killed in action“, heißt es in dem Protokoll der Amerikaner.