Queer in Köthen Zwei junge Männer aus Köthen betreiben den Videoblog „Queer4mat“
Es geht um Themen aus der Homo-, Bi- oder Transsexuellenszene. Sie bekommen viel Lob - und Drohungen.
Köthen/MZ - „Wir wollen mit Leuten ins Gespräch kommen und auch ein bisschen Aufklärungsarbeit leisten“, sagt Julian Miethig. Zusammen mit seinem Freund Nelson Finkelmeyer aus Leipzig betreibt der 23-jährige Köthener den Blog „Queer4mat“. Regelmäßig veröffentlichen sie Videos, in denen sie Themen aus der queeren Szene nachgehen.
Der englische Begriff „queer“ beschreibt dabei verschiedene sexuelle Orientierungen - quasi alle, die nicht heterosexuell sind. Gemeint sind also zum Beispiel Homo-, Bi- oder Transsexualität.
In ihren Videos berichten die beiden jungen Männer zum Beispiel von Christopher-Street-Day-Demos in verschiedenen deutschen Städten
In ihren Videos berichten die beiden jungen Männer zum Beispiel von Christopher-Street-Day-Demos in verschiedenen deutschen Städten. Sie interviewen auch Politiker und fragen etwa nach ihrer Haltung zur Ehe für alle oder zum noch geltenden faktischen Blutspendeverbot für Homosexuelle. Anfang Oktober soll die dritte Staffel starten. Alle 14 Tage, immer sonntags um 16 Uhr, wird dann ein neues Video auf Youtube veröffentlicht.
Das gefällt vielen: Etwa 2.600 Abonnenten haben Julian Miethig und Nelson Finkelmeyer inzwischen auf der Videoplattform. Unter den Kommentaren sind allerdings nicht immer freundliche Rückmeldungen. Die ein oder andere Beschimpfung ist auch dabei. „Wir bekommen schon viele Kommentare, die gehässig sind“, sagt Miethig. „Aber auch viele positive Rückmeldungen sind dabei.“ Von Menschen, die sich durch die Beiträge wirklich besser informiert, wahr- und ernstgenommen fühlen.
„Das Konzept machen wir beide zusammen“
Was die beiden aber vor einigen Tagen unter ihrem Video zum Christopher-Street-Day in Dresden lesen mussten, sprengt den Rahmen. Ein Mann droht damit, bei einer solchen Veranstaltung ein Attentat zu begehen. Mit seinem Auto wolle er in die Menge rasen und dann auf die Teilnehmer schießen, um möglichst viele zu töten.
„Wir haben deswegen Anzeige erstattet und müssen nun abwarten, was passiert“, sagt Julian Miethig. Solche konkreten Drohungen könne man nicht einfach als Hirngespinste abtun. Dass eine reale Gefahr dahinter stecke, sei immerhin möglich. Bei solchen Drohungen sind Diskussionen mit dem Verfasser wohl sinnlos - bei konstruktiver Kritik lasse man sich aber gern darauf ein, sagt der 23-Jährige.
Er studiert in Bernburg Betriebswirtschaftslehre und ist bei „Queer4mat“ derjenige, der meist vor der Kamera steht. Auch der Schnitt zählt zu seinen Aufgaben. Nelson Finkelmeyer kümmert sich um die Technik und filmt. „Das Konzept machen wir beide zusammen“, sagt Miethig.
So wie es aussieht, wird das Projekt „Queer4mat“ nicht auf Videos beschränkt bleiben
So wie es aussieht, wird das Projekt „Queer4mat“ nicht auf Videos beschränkt bleiben. In Zusammenarbeit mit der Jugendkirche „Plus+Punkt“ und unterstützt von „Demokratie leben“ wollen sie Workshops für Schulen anbieten. Thema soll das Leben als queerer Mensch speziell im ländlichen Raum sein. Dafür sollen neue Videos mit Köthener Protagonisten produziert werden, in denen es zum Beispiel um das Coming-Out geht. Also jenen Moment, wenn man Freunden oder der Familie zum ersten Mal offen sagt, dass man beispielsweise homosexuell ist. Sexuell übertragbare Krankheiten könnten ebenfalls ein Thema sein. Oder der Umgang mit bestimmten Worten.
Teilweise benutzten schon kleine Kinder den Ausdruck „Schwuchtel“ als Schimpfwort, sagt Julian Miethig. „Ohne zu verstehen, was das eigentlich bedeutet und was dahinter steckt. Darüber sollte man reden.“
„Der Kanal soll so bunt sein wie die queere Gemeinschaft selbst“
Der 23-Jährige ist in Aken und Köthen aufgewachsen und hat nach eigener Aussage dabei selbst auch immer mal wieder Sticheleien oder Beschimpfungen abbekommen, aber nur von einzelnen. Die Reaktionen auf sein Coming-Out im privaten Umfeld seien aber „wirklich positiv“, erinnert er sich.
Bevor er mit seinem Freund „Queer4mat“ gestartet habe - Anfang 2020 erschien nach viel Vorbereitung das erste Video - habe er sich selbst nicht besonders in der queeren Szene ausgekannt. So war es ein Kennenlernen und Dazulernen, Video für Video. Und die Themenvielfalt ist groß. In der neuen Staffel soll es unter anderem um Rassismus innerhalb der queeren Gemeinschaft gehen. Ältere Beiträge beschäftigen sich mit einem Teenager, der als Drag-Queen auftritt oder der Frage, wie Homosexualität und Religion zusammenpassen. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir nicht nur einen kleinen Bereich abdecken wollen. Der Kanal soll so bunt sein wie die queere Gemeinschaft selbst.“