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Wimpel vom «MS Thälmannpionier»

Von LOTHAR GENS 02.06.2010, 16:21

AKEN/MZ. - Vor einigen Tagen war es: Am 28. Mai wäre Willi Schumann 100 Jahre alt geworden. Ein guter Anlass, den Rest des Nachlasses des in Aken sehr bekannten Initiators des damaligen Pionierschiffs "MS Thälmann-Pionier", das noch heute - unter dem Namen "Klabautermann" - auf der Elbe unterwegs ist, an das Akener Heimatmuseum zu übergeben. Das sagte sich jedenfalls Marlies Flemming, die Tochter des 1985 verstorbenen "Thälmann-Pionier"-Kapitäns und handelte so. So kam es, dass sich im Vorfeld des Geburtstages Klaus Dieter Bielstein, Marlies Flemming und Otto Benecke im Heimatmuseum in der Köthener Straße trafen und in Augenschein nahmen, was auf einem Tisch ausgebreitet vor ihnen lag.

Das sind etliche Relikte vergangener Zeiten, die mit dem Pionierschiff nichts zu tun haben, aber durchaus interessant sind fürs Heimatmuseum, zum Beispiel Münzen, alte Mitgliedsdokumente, historische Firmen-Tüten. Aber auch Dinge, die original vom Schiff sind, etwa die ersten Wimpel vom "MS Thälmann-Pionier". Da hellen sich die Gesichtszüge von Museums-"Vater" Benecke und Museumsmitarbeiter Bielstein auf. Sie und Frau Flemming schwelgen sofort in Erinnerungen.

"Als das mit dem Schiff begann, da war ich ja noch Kind", bemerkt Marlies Flemming und blickt zurück in die Zeit, als sie etwa in die dritte Klasse ging. Da hatte ihr Vater als Nieter in der Schütze-Werft gearbeitet, die später nur noch Schrott-Werft gewesen ist. Und er hatte schon viele Kontakte zu den damaligen Kindern. Denn er leitete eine der beiden Arbeitsgemeinschaften Schiffsmodellbau in der seit 1953 bestehenden Akener Station Junger Techniker. "Da gab es zig Arbeitsgemeinschaften", wirft Klaus-Dieter Bielstein ein. 1958 dann zog diese Station um ins Köthener Pionierhaus in der heutigen Dr.-Krause-Straße.

1957 war es, als Willi Schumann zu Otto Benecke gesagt hatte: "Komm doch mal mit in den Hafen, ich will dir was zeigen", wie Benecke sich erinnert. Im Industriehafen lag die "Bescherung": ein schrottreifer Schiffsrumpf aus verrostetem Stahl. Benecke hat dann gefragt, ob Willi Schumann das Teil verschrotten will. "Nee", habe der wiederum geantwortet, "da will ich ein Pionierschiff draus machen." Willi Berger und Willi Schumann hatten das Schiff am 17. August 1957 aus Magdeburg geholt und dort 20 Mark dafür hingeblättert. Nun sollte es ein vernünftiges Schiff werden, woran Benecke zuerst nicht recht glauben wollte. Denn es handelte sich lediglich um eine leere Hülle. Aber die hatte zumindest noch einen funktionierenden Motor. Und Schumann wollte Nachwuchs ausbilden, der vielleicht mal Schiffer wird und ließ sich von seiner Idee durch nichts und niemanden abbringen. Aus dem Schiff wurde etwas, und genutzt wurde es später von den "Jungen Matrosen" der Station.

Aber davor war noch viel Arbeit. Und die wurde nach einem von Schumann aus Büchsenblech gebauten Modell ausgerichtet - innerhalb des NAW (Nationales Aufbauwerk). Von den Arbeitern der beiden Akener Werften und vielen anderen Betrieben aus dem früheren Kreis Köthen, unter ihnen das Magnesitwerk Aken, Kranbau, Kesselbau und Brauerei aus Köthen, Schichtpressstoffwerk Micheln. Die Leute errichteten ein Steuerhaus, setzten Fenster ein, befestigten Schutzgeländer, einen Mast und vieles mehr.

Nicht einmal ein Jahr später, am Kindertag, also am 1. Juni im Jahr 1958, wurde das "MS Thälmann-Pionier" feierlich getauft - von Thälmann-Pionier Monika Strohbach. Danach waren nur noch ein paar kleine Restarbeiten daran zu verrichten. So konnten Käpt'n Schumann und seine "Jungen Matrosen", die beim Herrichten schon fleißig Rost geklopft hatten, ablegen. Willi Schumann fuhr das Schiff bis kurz vor dem Rentenalter, und Otto Benecke erinnert sich an "wunderbare Fahrten mit Schülern", auch über mehrere Tage.

"Mein Vater hat das Schiff immer so gut behandelt wie sein Eigentum", sagt Marlies Flemming. Unter anderem hat er es zusammen mit seiner Frau über den Winter repariert und gewartet. Und weil er es so liebte, wollte er auch, dass alles, was damit und mit der Akener Schifffahrt zu tun hatte und in seinem Besitz war, dereinst ins Eigentum des Heimatmuseums Aken übergeht. Seine Tochter hat nun, zu seinem 100. Geburtstag, diesem Wunsch entsprochen und alles übergeben, was nicht schon in den Jahren zuvor seinen Weg dorthin gefunden hatte.