Werben um Azubis Werben um Azubis: Handwerksbetriebe im Altkreis Köthen finden teils seit Jahren keinen Nachwuchs mehr

Köthen - Dietmar Kurch brachte seine Sorgen auf den Punkt. „Das Handwerk stirbt ohne euch“, wandte sich der Geschäftsführer des Dachdeckermeisterbetriebs Kurch Bedachungs GmbH an die Schüler, die vor ihm saßen.
An einem ihrer letzten Schultage vor den Ferien besuchten die Neuntklässler des Ludwigsgymnasiums in Köthen einige Unternehmen im Gewerbegebiet Ost. Das waren neben Kurch Bedachungs GmbH auch WWB Dachbaustoffe GmbH & Co. KG und Hahn Kunststoffe GmbH.
Der Hintergrund: Dem Handwerk geht der Nachwuchs aus. Seit Jahren schon. An ihrem „Tag der Berufe“ haben die Schüler verschiedene Berufe kennengelernt. Die teilnehmenden Unternehmen hofften, den einen oder anderen Schüler für eine Ausbildung gewinnen zu können. Eine Hoffnung, die auch Oberbürgermeister Bernd Hauschild hat. Er besuchte zusammen mit Wirtschaftsförderin Birgit Plail einige Unternehmen. Ihre Botschaft: „Handwerk ist attraktiv und hat goldenen Boden - auch heute noch.“
„Lehrlinge bekommen wir überhaupt nicht mehr“
Davon müssen jetzt aber auch noch diejenigen überzeugt werden, die die Zukunft der Unternehmen sind. Im Moment sieht es düster aus. „Lehrlinge bekommen wir überhaupt nicht mehr“, sagt Dietmar Kurch. Sein Unternehmen bildet Dachdecker und Klempner sowie Monteure für vorgehängte Fassaden aus. Seit einigen Jahren schon hat das Unternehmen keine Auszubildenden mehr. Interessenten seien zwar beim Probearbeiten gewesen, erzählt der Dachdeckermeister, danach aber nicht wieder aufgetaucht.
Die Folgen des Fachkräftemangels für das Unternehmen sind immens: „Wir können unseren Aufgaben teilweise nicht mehr gerecht werden“, sagt Dietmar Kurch. „Kunden können zum Teil nicht mehr zeitgerecht bedient werden.“ Der Geschäftsführer sieht noch ein weiteres Problem. Einige Firmeninhaber seien dem Rentenalter nahe.
„Wenn wir keine Lehrlinge haben, haben wir keine Gesellen. Wenn wir keine Gesellen haben, haben wir keine Meister. Wenn wir keine Meister haben, haben wir keinen, der eine Firma irgendwann mal übernehmen kann“, befürchtet er.
Vor fünf Jahren habe es einen Knick bei den Bewerbungen der Auszubildenden gegeben
WWB Dachbaustoffe bildet im Groß- und Außenhandel aus. Das Unternehmen hat derzeit einen Lehrling. „Es ist schwierig, Azubis zu bekommen“, sagt auch Hans-Joachim Sohn, Geschäftsleiter des Unternehmens. Vor fünf Jahren habe es einen Knick gegeben. Davor, stellt er fest, habe er genug Auszubildende gehabt. Sie würden jetzt fehlen.
„Die Qualifikation der Leute war mal besser“, spricht er einen weiteren Punkt an. Hans-Joachim Sohn ist aufgefallen, dass junge Leute immer weniger Interesse hätten, im Handwerk zu arbeiten. Er sagt aber auch: „Von beiden Seiten ist ein Entgegenkommen wichtig.“ Die jungen Leute müssten engagierter sein. Er sei im Gegenzug aber auch bereit, auf sie zuzugehen.
Bei Hahn Kunststoffe wird nicht ausgebildet. Dafür ist die Niederlassung des Unternehmens, das seinen Hauptsitz nahe des Flughafens Frankfurt-Hahn hat, in Köthen zu klein. Fachkräfte kommen hier derzeit von anderen Unternehmen.
Herausforderungen im Handwerk steigen, das Bildungsniveau der Bewerber aber sinke
Da es aber immer schwieriger werde, welche zu bekommen, sagt Mark Müller vom Vertrieb des Unternehmens, müsse der Nachwuchs - Industriekaufleute in diesem Fall - irgendwann selbst ausgebildet werden. Er spricht da nicht von den nächsten ein, zwei Jahren. „Wir denken langfristig“, sagt Mark Müller.
Eine Lösung für den Fachkräftemangel? Die haben die Vertreter der besuchten Firmen nicht. Zumindest aber eine Idee. Das Bildungssystem müsste verändert werden, sagen sie. Das Problem sei: Die Herausforderungen im Handwerk würden steigen, das Bildungsniveau der Bewerber aber sinke. Die Handwerker wünschen sich mehr Praxisbezug, damit Schüler sich zeitig ausprobieren können. Das könnten ihnen vielleicht helfen, hoffen sie. (mz)