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Weniger deutsche Lieder Weniger deutsche Lieder: Ulli Schwinge kritisiert Radiosender

Von Helmut Dawal 14.01.2015, 20:43
Ulli Schwinge kritisiert die englisch-lastigen Musikprogramme, die Produktionen mit deutschem Gesang immer mehr verdrängen. Sein Vorschlag: Eine Quote einführen, wie es sie in vielen anderen Ländern gibt.
Ulli Schwinge kritisiert die englisch-lastigen Musikprogramme, die Produktionen mit deutschem Gesang immer mehr verdrängen. Sein Vorschlag: Eine Quote einführen, wie es sie in vielen anderen Ländern gibt. heiko rebsch Lizenz

Schortewitz - Auf das Radio ist Ulli Schwinge nicht mehr gut zu sprechen. Kommt darauf die Rede, dann steigt bei dem Schortewitzer Sänger und Komponisten der Blutdruck - seine Lieder werden nicht mehr gespielt, jedenfalls nicht in den öffentlich-rechtlichen Sendern, zu denen auch MDR Sachsen-Anhalt gehört.

Es ist ein schleichender Prozess, den Schwinge seit dem Jahr 2012 beobachten muss. Deutsche Lieder werden immer weniger gespielt, selbst so beliebte Sängerinnen wie Andrea Berg und Helene Fischer hört man beim MDR-Radio nicht mehr. „Meine beste Zeit hatte ich nicht beim MDR, sondern beim WDR 4“, blickt er zurück. Dort seien seine Titel oft gespielt worden, was ihm geholfen habe, weiter bekannt zu werden. „Die meisten Live-Auftritte hatte ich in Nordrhein-Westfalen, eben deshalb, weil dort meine Musik häufig zu hören war.“

Kein komplettes Musikprogramm

Dass deutsche Musik immer mehr aus den Radios verbannt wird, kann Ulli Schwinge aus vielen Gründen nicht gut heißen. An erster Stelle steht natürlich die eigene Existenz, die in Gefahr gerät, wenn die eigene Musik über das Medium Radio nicht mehr in den Ohren der Menschen ankommt. „Wie soll ein Sänger seine neuen Titel bekannt machen, wenn es ihm die Sender verwehren?“, fragt er. In Existenznöte geraten laut Schwinge dann auch Komponisten, Texter und Produzenten.

Auch die Radiohörer selbst, ist der Schortewitzer überzeugt, werden beschnitten. „Sie alle müssen Rundfunkgebühren bezahlen, das ist ja eine Pflicht. Doch die Hörer bekommen von den Sendern dafür kein komplettes Musikprogramm mehr, ihnen wird ein Teil, nämlich die deutsche Unterhaltungsmusik, nicht mehr angeboten. Und sie können keine neuen deutschen Musikprodukte mehr hören.“

Hinterfragt werden müsse auch, wohin Rundfunkgebühren und Steuern fließen. „Die Tantiemen fließen immer mehr ins Ausland, zu den Künstlern der englischen Titel.“ Von einem Radio-Insider habe er gehört, dass mittlerweile 95 Prozent aller Tantiemen aus Deutschland ins Ausland fließen sollen. „Meine eigenen Tantiemen gehen inzwischen gegen null“, bemerkt Schwinge frustriert.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten geht es ihm auch um die Bewahrung der deutschen Kultur. „Deutsche Lieder und die deutsche Sprache werden eines Tages auf der Strecke bleiben“ befürchtet er.

All das ist für Schwinge Ergebnis eines „sehr bewusst gesteuerten Prozesses, der offenbar zum Ziel hat, einer Gruppe von Künstlern endgültig das Wasser abzugraben und sie auszugrenzen“. Die Argumente der Sender hält er für fadenscheinig. „Für wen will denn der MDR sein Programm verjüngen, wenn er schon die auf junges Publikum gerichteten Sender Jump und Sputnik hat?“, äußert Schwinge.

Der MDR bestätigt auf MZ-Anfrage den Wandel in seiner Programmstruktur. „Es ist richtig, dass MDR Sachsen-Anhalt seit einigen Monaten in der Regel keinen Schlager mehr im Programm spielt“, teilt Unternehmenssprecher Thomas Ahrens mit. Der MDR führe regelmäßig Marktforschungsstudien durch. Dabei würden in repräsentativen Umfragen Hörer befragt.

Andere Länder haben Quote

„Die Zahl der Hörer, die Schlager mögen, sinkt seit Jahren kontinuierlich. Das Ergebnis aus der aktuellen Befragung im vergangenen Sommer zeigt deutlich, dass nur noch eine kleine Gruppe gerne Schlager hört“, so Ahrens. Hinzu komme, dass der Schlager zunehmend polarisiere. „In allen unseren Kernzielgruppen werden vor allem gerne englische Oldies gehört. Im Sinne eines zukunftsfähigen Programms gehen wir auf diese Vorlieben der Mehrheit unserer Hörer ein.“ Der Anteil der deutschsprachigen Musik - Ost-Rock-Klassiker oder Hits von Maffay, Grönemeyer, Westernhagen, Lindenberg, Falco, Pur, Münchener Freiheit usw. - beträgt laut Ahrens rund 20 Prozent.

Der Schortewitzer kann über diese Argumente nur lächeln. Der Hörer wolle keine Schlager mehr, deutsche schon gar nicht. „Die Oldies, die gespielt werden, sind doch auch nichts anderes als Schlager, aber eben englische.“ Er bleibt dabei: Mit dieser Art von Programmgestaltung werde eine Lobby bedient, und das seien die übermächtigen ausländischen Plattenfirmen.

Ulli Schwinge wünscht sich ein System, wie es in vielen anderen europäischen Ländern praktiziert wird. Dort gibt es eine Quote, wie viel in- und ausländische Musik gespielt werden darf. In der Regel sind die Sender angehalten, 60 Prozent einheimische und 40 Prozent ausländische Musik zu spielen. So wird es beispielsweise in Dänemark, Frankreich und Belgien gemacht. „Das schützt die eigene Musik vor einer Überflutung mit englischen Titeln. Und es verbessert die Chancen der Künstler im jeweiligen Land.“

Im Jahr 2016 bringt Ulli Schwinge sein nächstes Album heraus, das seinem 40-jährigen Bühnenjubiläum gewidmet ist. Unterkriegen lässt er sich nicht. „Mein Leben ist in Ordnung“, betont Schwinge, der versichert, seinen Beruf mit Leib und Seele auszuüben. Wozu auch gehört, Boxen und Keyboard für die Mugge auf die Bühne zu schleppen. „Das mache ich bei einem Firmenfest genauso wie bei einem 50. Geburtstag oder einer Hochzeit. Ich brauche mein Handwerk nicht unter den Scheffel zu stellen.“

Seine Antwort auf den Englisch-Wahn: „Ich vertone gegenwärtig unvergängliche Gedichte von Goethe, Heine und Schiller. Mal sehen, ob man das auch als deutschen Schlager einstuft.“