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Weniger Brunnen erlaubt? Weniger Brunnen erlaubt? Trockene Sommer sorgen für sinkende Grundwasserspiegel in Anhalt-Bitterfeld

Von Matthias Bartl 05.01.2020, 08:00
Auch die Gewinnung des Trinkwassers, das im Raum Köthen verbraucht wird, geschieht zu einem Teil über Grundwasserpumpen, die von der Midewa betrieben werden. Anschließend wird dieses Wasser aus dem Untergrund mit Fernwasser aus dem Ostharz gemischt - im Verhältnis 50:50.
Auch die Gewinnung des Trinkwassers, das im Raum Köthen verbraucht wird, geschieht zu einem Teil über Grundwasserpumpen, die von der Midewa betrieben werden. Anschließend wird dieses Wasser aus dem Untergrund mit Fernwasser aus dem Ostharz gemischt - im Verhältnis 50:50. Ute Nicklisch

Köthen - Östlich vom Harz liegt die Wüste Mitteldeutschlands. Das mag sich übertrieben anhören, wenn man die anhaltischen Lande und besonders den Altkreis Köthen mit den bekannten Wüsten dieser Welt vergleicht, mit Sahara und Kalahari, mit Gobi und Atacama - es ist aber nicht im mindesten übertrieben, wenn man die Region in punkto Niederschlag ins Verhältnis zu anderen deutschen Landstrichen stellt. Da stellt sich nämlich rasch heraus, dass hierzulande Wasser - von oben, aber nicht nur - ein knapper Rohstoff ist.

Kein Wunder: „In den zurückliegenden zwei Jahren“, so Andreas Rößler, Leiter des landkreislichen Umweltamtes, „hatten wir ein erhebliches Niederschlagsdefizit zu verzeichnen.“ 20 bis 40 Prozent weniger Regen als im langjährigen Jahresmittel, so Rößler, haben erheblichen Einfluss nicht nur auf das Wachstum von Pflanzen mit sich gebracht, wie man in Köthen am Beispiel der Fasanerie leidvoll erleben musste, das Defizit macht sich längst auch im Grundwasserdargebot bemerkbar.

Im Bereich Köthen ist der Grunwasserspiegel irgendwo zwischen einem Meter und 1,50 Metern gesunken

Grundwasser entsteht dadurch, dass Niederschläge versickern. Und auch dadurch, dass Wasser im Sohl- und Uferbereich von Seen oder Flüssen in den Untergrund infiltriert. Fehlt der Regen, dann findet aber das eine wie das andere nicht mehr oder nicht mehr in ausreichender Größenordnung statt. Trockengefallene Dorfteiche oder Gräben sind auch signifikantes Zeichen dafür, dass es eine Etage tiefer schlimm aussieht. „Gegenüber 2015“, stellt Rößler fest, „ist der Grundwasserspiegel im Landkreis um durchschnittlich anderthalb Meter gesunken.“

Im Bereich Köthen liegt die Senkung irgendwo zwischen einem Meter und 1,50 Metern - territorial gibt es dabei aber deutliche Unterschiede. Wie es auch territoriale Unterschiede gibt hinsichtlich der Grundwasserkörper, die vom Gewässerkundlichen Landesdienst (GKL) regelmäßig überwacht werden.

Für den Bereich Köthen ist das der Grundwasserkörper SAL GW 22 - der derzeit zu 28 Prozent für Trinkwassergewinnung, Landwirtschaft und Industrie genutzt wird. Das ist eine Quote, die noch im Rahmen dessen liegt, was die Wasserrahmenrichtlinie der EU zulässt, aber die darin als Obergrenze festgeschriebenen 30 Prozent sind nicht allzu weit entfernt.

Man werde nicht mehr alle Anträge auf Wasserrechte genehmigen können

„70 Prozent des Grundwasserdargebots“, erläutert Rößler, „sollen für die Natur bereitstehen.“ Die Fachleute wissen, dass es auch die Neubildung erschwert, „wenn man beim Grundwasser in die Zehrung geht“. Es besteht eine deutliche Abhängigkeit der Grundwasserneubildung nicht nur zu Niederschlagsmenge und -intensität, sondern unter anderem auch zu Vegetation, zu Boden- oder Gesteinsart und nicht zuletzt zur Landnutzung durch den Menschen.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat Landrat Uwe Schulze auf dem Kreistag im November die Situation als durchaus kritisch beschrieben - allerdings bezog sich dies vor allem auf den Zerbster Teil des Landkreises. Man werde, so Schulze, unter Beachtung der regionalen Unterschiede nicht mehr alle Anträge auf Wasserrechte genehmigen können. „Im Zerbster Bereich gibt es bereits eine Übernutzung des dortigen Grundwasserkörpers“, sagt Rößler. Der GKL habe daher empfohlen, keine zusätzlichen Entnahmemengen zuzulassen.

Und da wird das Problem ökonomisch. Gerade in trockenen Jahren - und niemand weiß, wie viele davon noch folgen werden - benötigt zum Beispiel die Landwirtschaft Grundwasser, um per Beregnungsanlagen den ausbleibenden natürlich Regen kompensieren zu können. „Daraus resultiert für uns als Genehmigungsbehörde ein erhebliches Maß an Verantwortung“, beschreibt der Amtsleiter. Man müsse einen Weg finden, ausreichend Grundwasser für die Natur zu sichern, gleichzeitig aber die Unternehmen nicht in existenzielle Schwierigkeiten zu bringen. „Das ist“, weiß Rößler angesichts der vorliegenden Anträge, „fast die Quadratur des Kreises.“

Umverteilung von bereits existierenden Wasserrechten unter benachbarten Unternehmen

Eine Variante, wie man seitens der Unternehmen mit der Zwangslage umgehen kann, beschreibt Rößler in der Umverteilung von bereits existierenden Wasserrechten unter benachbarten Unternehmen. Da seien Synergieeffekte möglich, freilich ausschließlich auf freiwilliger Basis und nur dort, wo es territorial passt.

Das Umweltamt des Landkreises werde allerdings nicht als Vermittler auftreten, „das kann nicht unsere Aufgabe sein, zumal wir auch gar nicht wissen können, welcher Betrieb von seinen genehmigten Entnahmemengen etwas abgeben kann, in welchem Umfang und wie lange.“

Was den Landkreis angehe, so sei seine Aufgabe, alle Anträge auf Wasserentnahmen kritisch zu prüfen, nicht nur nördlich der Elbe, sondern auch in den Altkreisen Köthen und Bitterfeld. Immerhin ist auch dort die gesetzlich fixierte 30-Prozent-Grenze nicht mehr weit entfernt. „Und dies ist unser Maß, unsere rote Linie.“ (mz)

Rohre für eine Beregnungsanlage: Die Landwirtschaft verbraucht einen nicht unwesentlichen Anteil des Grundwassers.
Rohre für eine Beregnungsanlage: Die Landwirtschaft verbraucht einen nicht unwesentlichen Anteil des Grundwassers.
Ute Nicklisch