Was sagen Praktizierende? Was sagen Praktizierende im Altkreis Köthen?: Seit 2020 muss man für den Beruf Hebamme studieren

Köthen - In Deutschland wird die Hebammenausbildung reformiert. Bisher war die Profession ein Ausbildungsberuf: Interessenten konnten sich in drei Jahren an einer Hebammenschule ausbilden lassen und anschließend als freie Hebamme oder in Kliniken arbeiten. Deutschland war lange eines der letzten Länder in Europa, in denen Hebammen für ihren Beruf nicht studieren mussten.
Seit 2020 gilt: Wer Hebamme werden will, braucht ein Bachelorstudium. In Sachsen-Anhalt wird das nun erstmals und exklusiv ab dem kommenden Wintersemester an der Uni Halle angeboten. Ob das dabei helfen kann, den Berufszweig zu stärken, hat die MZ Hebammen aus dem Altkreis gefragt.
Claudia Leis ist freiberufliche Hebamme und Inhaberin der Hebammenpraxis „Hummelnest“ in Aken. „Ich finde das sehr gut“, antwortet sie auf die Frage, was sie von der Änderung halte. Sie gehe davon aus, dass der Wechsel zum Studienberuf in zwei wichtigen Bereichen von Vorteil sein wird: Für das Ansehen des Berufs und die finanzielle Situation.
„Der Irrglaube, dass Hebammen nur Tee trinken und auf der Matte sitzen, hält sich vehement“
„Die Stellung der Hebamme hat sich zwar verbessert, aber der Irrglaube, dass Hebammen nur Tee trinken und auf der Matte sitzen, hält sich vehement“, sagt Leis. Vor allem unter Gynäkologen, wie sie verrät: „Ich kann nur für meine Region sprechen, aber hier ist es so: Wenn eine Frau gegenüber einem Gynäkologen eine Betreuung bei einer Hebamme anspricht, dann wird die Kompetenz von Hebammen oft in Frage gestellt.“
An diesem Punkt könne das Studium helfen, indem es den Status der Hebammen auf ein „solides wissenschaftliches Fundament“ stellt, glaubt Leis. Studierten Hebammen könnten dann andere Türen offenstehen, denn sie könnten nun auch in die Forschung oder Lehre gehen.
Als weiteren wichtigen Aspekt spricht sie die finanzielle Situation freiberuflicher Hebammen an und nennt ein Beispiel: 38,46 Euro brutto erhält eine Hebamme für einen Wochenbettbesuch. Dabei sei es „egal, ob der zwanzig Minuten oder ein paar Stunden dauert. Nach Abzug aller Ausgaben sind wir da bei 14 Euro, das ist viel zu wenig“, erklärt sie. Sie gehe davon aus, dass sich die Bezahlung mit einem Studienabschluss spürbar verbessern wird.
Menschen mit mittlerer Reife können nun mit ihrem Abschluss nicht mehr zur Hebamme ausgebildet werden
Ob sie den Beruf auch gewählt hätte, wenn sie dafür hätte studieren müssen? „Ja, auf jeden Fall“, antwortet Leis. Nachteile des Studiums könne sie nicht erkennen. „Das war lange überfällig. Es wird Zeit, dass Deutschland nachzieht“, ist die erfahrene Hebamme aus der Elbestadt überzeugt.
Nadine Märker ist freiberufliche Hebamme in Zehmigkau. Auch sie begrüßt den Wechsel zum Studium grundsätzlich, sieht aber auch kritische Punkte. „Es könnte sein, dass sich durch das Studium mehr für den Beruf interessieren“, sagt sie. Was natürlich ein Vorteil wäre in einem Beruf mit Nachwuchsproblemen.
Aber es könnte einen Nachteil bringen, denn Menschen mit mittlerer Reife können nun mit ihrem Abschluss nicht mehr zur Hebamme ausgebildet werden und müssten das Abitur nachholen. „Die sind dann vielleicht eher abgeneigt, den Beruf zu wählen“, glaubt Märker.
„Wir brauchen jetzt Hebammen, und durch die Umstellung werden uns zwei Jahrgänge fehlen“
Neu ist zudem, dass die Abschlussprüfungen nicht mehr am Patienten gemacht werden, sondern an einem Simulator. „Das sehe ich auch kritisch“, sagt Märker und erklärt: „Einerseits ist es ethisch richtig, weil man keine Frauen mehr fragen muss, ob man an ihnen die Prüfung ablegen kann, auf der anderen Seite ist es unerlässlich für die praktische Arbeit, mit echten Menschen umzugehen.“ Nadine Märker würde den Beruf auch mit Studium wieder wählen, sagt sie.
„Ich finde das schwierig“, sagt indes Hebamme Susann Kasperski, Inhaberin der Köthener Praxis „Kinderzauber“. „Wir brauchen jetzt Hebammen, und durch die Umstellung werden uns zwei Jahrgänge fehlen“, kritisiert sie. Auch die Akademisierung mache ihr Sorgen: „Das ist ein sehr praktischer Beruf und ich habe Bedenken, dass die Praxis darunter leidet und es sehr theoretisch wird.“
Viele Aspekte seien zudem noch nicht geklärt, fährt sie fort und nennt Fragen, die sie sich in dem Zusammenhang stellt: „Wie geht es danach weiter, wie ändert sich die finanzielle Lage nach dem Studium? Möchte man noch in drei Schichten arbeiten, wenn man mehrere Jahre studiert hat?“ Trotz der Kritik wolle sie jedoch offen bleiben. „Man muss aber auch erst mal sehen, wie es sich entwickelt.“ Und da sie ihren Beruf sehr schätze, hätte sie dafür auch studiert, versichert sie. (mz)