Wallstraße Wallstraße: Nach Fassadenabriss folgt Neubau

Köthen - Wie viele Monate der Mauerrest an das längst abgebrochene Gebäude Wallstraße 67 in Köthen erinnert hat, ließ sich selbst beim gründlichsten Durchforsten des MZ-Archivs nicht mehr genau ermitteln. Drei Jahre mindestens, vermutlich noch etwas länger hat die Anmutung barocker Bürgerlichkeit den Abschnitt der Wallstraße geprägt - als steinerne Hoffnung darauf, die Wohnungsgesellschaft Köthen (WGK) werde als Bauherr der Umgestaltung des Quartiers zwischen Bachdenkmal und Tiefgarage eben diese ruinöse Steinecke in den Neubau der Nr. 66 integrieren. Eine Hoffnung, angesichts derer Fachleute schon lange den Kopf geschüttelt hatten - meist gehen solche Experimente ins Geld und in die Hose, was die Ästhetik angeht.
Beides ist nun nicht mehr zu befürchten. Wie ein letzter Zahn im Gebiss durch den Dentisten zwar mit dem Ausdruck größten Bedauerns , aber dem Verweis auf unvermeidbare Notwendigkeit entwurzelt wird, so ist auch der letzte Mauerzacken der alten Nr. 66 durch die WGK mit professioneller Gelassenheit abgebrochen worden. „Wir haben lange versucht, den Patienten am Leben zu erhalten“, spricht Daniel Rieck, WGK-Geschäftsführer, ein finales Wort.
Nur noch im Erdgeschoss
Dass den einstigen Plänen zur Einarbeitung des Fassadenteils in den Neubau des Hauses keine ernsthafte Zukunft beschieden war, hat sich lange angedeutet. Schon als 2014 der Antrag auf Rückbau der Wallstraße 66 beschieden war und umgesetzt wurde, machte sich die mangelnde Standhaftigkeit der auf Wunsch der Denkmalpflege zu erhaltenden Fassade bemerkbar - indem Teile des Obergeschosses mit einstürzten und ohnehin nur noch die Fassade des Erdgeschosses gerettet werden konnte.
Für drei lange Jahre, in denen das barocke Potemkinsche Haus aufwendig gesichert werden musste. In diesem Jahr nun hat die WGK die Baugenehmigung für die Wallstraße 66 und 67 erhalten und im Rahmen der Ausführungsplanung den Mauerrest einmal gründlich untersuchen lassen. Durch einen Tragwerks-planer zum Beispiel.
Mit erstaunlichen Resultaten. Der Planer etwa stellte fest, dass die einsame Wand durchaus kein steinerner Monolith war, sondern mehrschalig aufgebaut war. Vereinfacht ausgedrückt: Zwischen dem Putz befand sich kein fester Stein, sondern ein Gemengsel aus Lehm und Bauschutt. „Dadurch war die Tragfähigkeit für den weiteren Bau nicht gegeben“, sagt Geschäftsführer Rieck.
Nächste Erkenntnis: Die Zierelemente an dem Fassadenrest, die man als barock beschrieben hatte, wurden durch einen Restaurator untersucht und als „Abformungen des ursprünglichen Gesimses“ enttarnt. „Die Elemente sind wohl in den 1980er Jahren , als es an dem Haus schon einmal Reko-Maßnahmen gegeben haben muss, nachgebildet worden.“ Beide Erkenntnisse haben dazu geführt, dass auch die Denkmalpflege ein Einsehen hatte und die WGK den Mauerrest noch vor Beginn des Rohbaus abreißen konnte.
Ziel: Ende 2018
Inzwischen haben die Bauarbeiter nicht nur das Rudiment der Nr. 66 entfernt, sondern auch schon mit den ersten Arbeiten zum Rohbau begonnen. Auch mit dem Bau der Nr. 67 wird es bald losgehen, nach David Rieck wahrscheinlich noch im September. „Nach dem derzeitigen Planungsstand“, so der WGK-Chef, „sollten wir mit der Baumaßnahme in der Wallstraße Ende 2018 komplett fertig sein.“ Das bezieht sich auch auf die 20 Stellflächen im Hof der Nr. 66, die durch eine künftige Toreinfahrt in der Nr. 67 erreichbar sein werden.
In der Nr. 66 werden sechs Wohnungen entstehen, in der Nr. 67 nur vier - was dem Umstand geschuldet ist, dass sich auf diesem Grundstück die Toreinfahrt für beide Häuser befinden wird. Im Unterschied zu den Nummern 64 und 65 bieten die 66 und die 67 keine barrierefreien Wohnungen, „aber ich denke dennoch, dass wir dafür Mieter finden“, ist Rieck optimistisch. Wohl zu Recht: Man ist in der Innenstadt und muss sich nun nicht mehr darüber ärgern, dass die neue Fassade gleich eine alte Narbe bekommt. (mz)

