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Jacobskirche digital Wahrzeichen Köthens kann auch auf Computern und Handys besucht werden - in zwei Versionen

Von Robert Martin 01.08.2021, 09:00
Blick in die doppelte Kirche.
Blick in die doppelte Kirche. (Foto: Nicklisch)

Köthen/MZ - Köthen ist um eine Attraktion, die Moderne und Geschichte miteinander verbindet, reicher: Die Jakobskirche kann ab sofort in digitaler Form besucht werden und das sowohl in ihrer heutigen Form ebenso wie zu Bachs Zeiten im Jahr 1729. Das Projekt und die Anwendung wurden vor kurzem in der Jakobskirche von den Projektverantwortlichen vorgestellt. Gefördert worden ist das Projekt vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung.

Digital kann man auch das Gotteshaus von 1729 betreten

Warum es neben der aktuellen Version der Kirche auch die Möglichkeit gibt, das historische Gotteshaus von 1729 zu „betreten“, erklärt der Musikhistoriker Alexander Grychtolik, der das Projekt konzipiert hat. „Die Kirche hatte zwei wesentliche Phasen der Nutzung“, sagt er. „Das ist die heutige Fassung, das muss man nicht weiter erläutern. Und dann gibt es noch die Phase vor dem Umbau von 1866.“

Anstatt aber den Zeitpunkt direkt vor diesem Umbau zu wählen - die Kirche befand sich damals in einem bemitleidenswerten baulichen Zustand - habe man sich die Frage gestellt, welcher Zeitpunkt relevant war. Und da komme Bach ins Spiel, wie Grychtolik zusammenfasst: „Relevant ist weltgeschichtlich die Aufführung der Trauermusik im Jahr 1729. Da haben sich Stadt- und Weltgeschichte sozusagen die Hand gegeben.“ Denn die Trauermusik, die Bach für den verstorbenen Fürsten Leopold geschrieben hat, sei eine „Vorform der Matthäus-Passion, und die ist ja Weltkulturerbe“, erklärt der Musikhistoriker.

In der Kirche am Computer führt der Experte bei seiner Präsentation durch die Kirche, ohne selber einen Schritt zu machen. Er demonstriert, dass man sowohl in der zeitgenössischen als auch in der 1729er-Version mühelos mit einem Klick oder Tippen zwischen verschiedenen Orten innerhalb der Kirche wechseln kann, sei es die Gruft, die Emporen oder die Türmerwohnung. Die 2021-Version wurde mit einer modernen 360-Grad-Kamera aufgenommen, bei der historischen Version handelt es sich hingegen um eine Computersimulation. Deren Qualität ist schlicht verblüffend: Bei der Präsentation auf der großen Leinwand ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen, dass es sich nicht um eine Fotografie handelt.

Es gibt zwei Wege, den digitalen Rundgang durch die Kirche zu beginnen: Ganz entspannt am heimischen Rechner über die erst kürzlich neu gestaltete Webseite der Gemeinde. Oder beim Betreten der echten Kirche, indem man sich mit dem offen Wlan-Netzwerk verbindet, welches den geneigten Besucher automatisch auf die Webseite umleitet.

Der Musikhistoriker Alexander Grychtolik hat das Projekt konzipiert.
Der Musikhistoriker Alexander Grychtolik hat das Projekt konzipiert.
(Foto: Nicklisch)

Der erste Weg hat den Vorteil, dass auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen erstmals die ganze Kirche begehen können, ohne den heimischen Schreibtisch verlassen zu müssen. Die zweite Variante richtet sich hingegen an Besucher der Kirche wie Touristen, die die Zusatzinformationen übrigens auch auf englisch abrufen können. Egal, wo man die Anwendung nutzt - sie ist ganz klar für Mobilgeräte konzipiert und läuft auf dem Handy auch sehr flüssig, wie ein kurzer Test bestätigt.

34.000 Euro teures Projekt wurde vom Wissenschaftsministerium gefördert

Finanziert wurde das 34.000 Euro teure Projekt vom Wissenschaftsministerium, bei dem die Gemeinde Anfang 2020 einen Förderantrag stellte. „Die Initiative kam aus der Gemeinde“, bestätigt Thomas Karolczak vom Ministerium gegenüber der MZ. Sein Haus verfüge über Fördermittel für die Digitalisierung verschiedener Orte im Land, die dann im Einzelfall geprüft werden. Das Projekt selbst wurde dann nach der Bewilligung innerhalb eines Jahres umgesetzt. Karolczak lobt, dass die Gemeinde mit dem Projekt auch an junge Menschen denke und die Barrierefreiheit gleich mitgedacht habe.

Dass sich das Ergebnis sehen lassen kann, ist inzwischen auch über Köthen hinaus bekannt. „Das ist ein Vorzeigeprojekt in der Landeskirche“, erklärt Pfarrer Martin Olejnicki mit Stolz in der Stimme. Man wolle nun abwarten, wie das Angebot angenommen werde. Denn vielleicht, sinniert er, lasse sich das Modell für eine virtuelle Umgebung nutzen, in der man die Kirche dann mit einer VR-Brille besuchen kann. Zukunftsmusik? Vielleicht. Aber wie in Köthen deutlich wird, ist die Zukunft bereits da.

Der digitale Kirchenführer ist über die Webseite der evangelischen Kirchengemeinde unter www.evangelisch-koethen.de erreichbar.