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Von Vollvermietung zur Insolvenz

Von Helmut Dawal 18.08.2008, 17:47

Köthen/MZ. - Die Aufbaugesellschaft, die das "Quartier Wallstraße" errichtet hat, steht seit Mitte Juni unter Zwangsverwaltung (die MZ berichtete).

Nach den Schilderungen von Frau Kloecker liegen die Ursachen für das Scheitern der Aufbaugesellschaft vor allem im Leerstand von Büroflächen, der in den vergangenen Jahren zugenommen und die Mieteinnahmen mehr und mehr reduziert hat. Auf dieses Problem und die daraus resultierenden negativen Folgen habe ihr Vater, Max Kroppen, bereits im März 2003 aufmerksam gemacht. Veronika Kloecker fügte als Beleg dafür eine von Kroppen angefertigte Aktennotiz bei, die damals sowohl an Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander als auch dessen Vorgänger Rainer Elze verteilt wurde.

Ursprünglich, so geht es aus dieser Aktennotiz hervor, war das "Quartier Wallstraße" voll vermietet. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation in den neuen Bundesländern und der Situation in der Stadt Köthen mit ihrer "exorbitanten Arbeitslosigkeit" zogen nach und nach mehrere Handelsfirmen aus. Das hatte zu Mieteinnahmeverlusten von jährlich rund 373 000 Euro geführt, obwohl die Aufbaugesellschaft noch "erhebliche Umbaukosten" auf sich genommen hatte, um die Mietobjekte für die Firmen entsprechend deren Wünschen herzurichten.

Eine Insolvenz habe zu diesem Zeitpunkt nur verhindert werden können, weil die Gesellschafter auf jegliche Verzinsung ihres Kapitals verzichtet und über Jahre ohne jede Verpflichtung aus ihrem privaten Einkommen rund 230 000 Euro in die Aufbaugesellschaft eingelegt hätten. Kroppen warnte außerdem eindringlich vor dem Auszug des Köthener Arbeitsamtes, was die Einnahmeverluste nochmals um jährlich etwa 255 000 Euro ansteigen ließen.

"Die Ereignisse nach diesem Aktenvermerk sind hinlänglich bekannt. Das Arbeitsamt ist aus der Mietfläche ausgezogen. Das Katasteramt ist aus der Mietfläche ausgezogen", schrieb Veronika Kloecker und sparte nicht mit Kritik an der Arbeit der Stadtverwaltung. Wie zuvor ihr Vater, habe auch sie versucht, die Stadt Köthen dazu zu bewegen, die Aufbaugesellschaft in ihrem Bemühen zu unterstützen, die leer stehenden Büroflächen zu vermieten. "Von der Stadt kam nichts", teilte Frau Kloecker mit.

Sie habe Anfang 2005 den Versuch unternommen, ein Sanierungskonzept zu erstellen, doch sowohl der Vorstandschef der Kreissparkasse Köthen als auch OB Zander hätten eine Beteiligung daran abgelehnt. Eine Hilfestellung seitens der Stadt, Firmen in die leer stehenden Büros zu lenken, habe es weiterhin nicht gegeben. So sei ein potenzieller Büroflächenmieter anderweitig zufrieden gestellt worden, was den Verlust eines Bowlingcenters zur Folge hatte. "Die Kleine Wallstraße als Alternative wurde noch nicht einmal ins Gespräch gebracht", äußerte die Generalbevollmächtigte.

Trauriger Höhepunkt ist nach der Schilderung von Veronika Kloecker der erst vor wenigen Wochen verlängerte Büroflächenmietvertrag mit der Stadtverwaltung. Obwohl der Oberbürgermeister gewusst habe, dass die Aufbaugesellschaft jeden Euro dringend brauche, habe er den Mietpreis von

13,33 auf 4,50 Euro pro Quadratmeter "gedrückt". Dadurch entstehe jährlich ein weiterer Einnahmeverlust von rund 297 000 Euro. Vor diesem Hintergrund sei die finanzierende Bank nicht länger bereit gewesen, die Aufbaugesellschaft zu unterstützen. "Wir als Investoren verlieren mit dem Objekt, in das wir 14 Jahre viel Zeit, Energie und Herzblut investiert haben, unser Eigenkapital, welches sich zum Zeitpunkt der Insolvenz auf über 16 Millionen Euro belief", schrieb Veronika Kloecker.

Die Stadt hingegen werde über viele Jahrzehnte hinaus für eine Tiefgarage viele Millionen Euro bezahlen, ohne jemals Eigentümerin zu werden, so die Generalbevollmächtigte.

Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander wies die Vorwürfe entschieden zurück. "Ich bin über diese Äußerungen auch menschlich zutiefst enttäuscht, weil wir schon erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um der Aufbaugesellschaft zu helfen", sagte Zander. Bei ihm entstehe jetzt der Eindruck, dass man der Stadt den "Schwarzen Peter" zuschieben wolle, um vom eigenen Versagen abzulenken.

Zu dem genannten Sanierungskonzept bemerkte Zander, dass die Stadt noch Büroflächen anmieten sollte, die sie aber gar nicht brauchte. "Das hätte die Kommunalaufsicht nie genehmigt", sagte der OB. Dass Arbeits- und Katasteramt aus dem Quartier ausgezogen sind, habe an Strukturentscheidungen gelegen, die nicht die Stadt Köthen zu verantworten hatte. Zum Stichwort Bowlingbahn erklärte Zander, dass es hier um die Firma Mercateo gegangen sei. "Die Firma wollte nicht in das Quartier einziehen, und wir konnten sie dazu auch nicht zwingen", sagte Zander.

Besonders erbost war der Oberbürgermeister darüber, dass er den Mietpreis für die städtischen Büros in der Wallstraße gedrückt haben soll. "Was wir jetzt bezahlen, ist eine ortsübliche Miete", stellte er klar. Der Mietvertrag wurde ausgehandelt und mit der Postbank abgestimmt, fügte Kurt-Jürgen Zander hinzu.