Von Köthen in die Welt Von Köthen in die Welt: Schon mal im "Rotel" gereist?

görzig/MZ - Monika und Axel Finsch dürften zu den am weitest gereisten Einwohnern von Görzig zählen. Das pensionierte Lehrerehepaar hat sich schon in vielen Ländern dieser Erde umgesehen, wobei Axel Finsch noch etwas mehr herumgekommen ist. „Ich kriege meine Frau nicht nach Indien oder in afrikanische Länder. Sie kann die oft anzutreffende Armut nicht sehen, das geht ihr ans Herz“, erzählt Axel Finsch.
Gemeinschaftsküche im Heck
So wurde manche Reise getrennt absolviert. Während Monika Finsch beispielsweise in Schweden, Australien oder den USA unterwegs war, unternahm ihr Mann Touren nach Afrika, Südamerika oder Laos und Vietnam. Gleich ist allerdings die Art und Weise des Reisens: Finschs haben sich für das „Rotel“, das rollende Hotel, entschieden und sehen darin die beste Möglichkeit, Land und Leute kennenzulernen. „Bei einem normalen Hotel ist man immer am selben Ort, mit dem „Rotel“ aber geht es durch kleine Städte und Dörfer, in die sich kaum Touristen verirren. Man kann viel mehr erleben“, sagt Axel Finsch.
Freilich ist es auch eine sehr spartanische Form des Reisens. Ein Bus mit angehängtem Schlafwagen, in dem sich die 60 mal 65 mal 200 Zentimeter großen Schlafkabinen befinden, oder ein Lkw, auf dem Fahrgast- und Schlafkabinen kombiniert sind. Im Heck des „Rotels“ ist eine Gemeinschaftsküche eingebaut. Der Fahrer bereitet die Mahlzeiten zu. Nur selten wird in Gaststätten gegessen. Wenn nicht in der freien Natur übernachtet wird, dann auf Campingplätzen oder in Hotels, wo sich die Weltenbummler aus dem „Rotel“ waschen können. Bei freier Übernachtung in der Wüste, im Urwald oder im Gebirge ist jeder Fahrgast auf seinen eigenen Wasservorrat zum Waschen angewiesen. Dem Görziger Ehepaar reicht dieser bescheidene Komfort.
Axel Finsch reist leidenschaftlich gern. „Mein Großvater Richard ist schuld“, lächelt der 70-Jährige, „er ist zur See gefahren, war Heizer auf einem Schiff und ist bis nach Australien gekommen. Wenn er über seine Reisen erzählt hat, regte sich bei mir Fernweh.“ So machte Axel Finsch 1965 seine erste Auslandsreise mit Jugendtourist nach Prag und in die Hohe Trata. Als Student fuhr er mit Freundin Monika privat in die Tschechoslowakei, um ihr zu zeigen, wo er mit Jugendtourist ein Jahr zuvor gewesen war. Und schmummelte dabei etwas. Denn die damals für Privatreisen erforderliche Einladung schrieb sich Finsch selbst und bastelte dafür auch einen Kartoffeldruck-Stempel, mit dem er dem Brief ein „amtliches“ Zeichen gab. Der uniformierte Mann von der Behörde nahm das Schreiben schmunzelnd entgegen und füllte die Papiere aus.
Von 1968 bis 1974 war Finsch sogar ehrenamtlicher Reiseleiter, begleitete Gruppen bei Wochenendfahrten zu touristischen Zielen in der DDR, später dann bei Reisen in die Sowjetunion, nach Ungarn oder Bulgarien. Sein Arbeitgeber, die damalige Abteilung Volksbildung, stimmte dem Nebenjob zu, verband das aber mit der Auflage, Finsch möge doch bei Vorträgen im Dorf die „sozialistischen Errungenschaften der Bruderländer“ darstellen. „1969 habe ich den ersten Dia-Vortrag über Leningrad gehalten. Im Publikum saßen vorwiegend Rentner“, erinnert sich Finsch. Ob er die Errungenschaften ausreichend gewürdigt hat, weiß er nicht mehr zu sagen. „Die Leute interessierten sich mehr für die Sehenswürdigkeiten dieser Stadt.“
Mit Schülern in die Hohe Tatra
Viele einstige Schüler dürften sich noch an die Reisen erinnern, die vom Lehrertrio Monika und Axel Finsch sowie Karin Moritz in den 80er Jahren organisiert wurden. „Wir hatten von den Ferienspielen die Nase voll und wollten unseren Schülern etwas Besonderes bieten“, erzählt Axel Finsch. So ging es bis zum Jahr 1989 jedes Jahr in den Sommerferien mit 20 bis 28 Schülern der Klassen 7 bis 10 für mindestens zwei Wochen zum Camping in die Hohe Tatra. „Wir sind immer mit der Bahn gefahren. Von der Station Weißandt-Gölzau ging die Reise los.“ Auch mit den eigenen Kindern Mike und Thomas haben Finschs viele Reisen unternommen. Mit der Wende konnte das Ehepaar auch Ziele ansteuern, die vorher für die normalen DDR-Bürger nicht erreichbar waren.
Mit dem Flieger nach Indien
Axel Finsch buchte schließlich seine erste Reise mit dem „Rotel“. „Ich wusste schon zu DDR-Zeiten, dass es solche Reisen gibt“, sagt er. Die erste führt ihn mit dem Flieger nach Indien, wo er in das rollende Hotel steigt und fünf Wochen mit Gleichgesinnten durch das Land fährt. Äthiopien, Ägypten, Marokko, Chile, Bolivien, Thailand, Türkei und Argentinien sind einige weitere Ziele, die er schon angesteuert hat. „Nur am Strand liegen, das kommt für mich nicht in Frage“, betont Globetrotter Finsch.

